Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Die Reflexion. 
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scheiden sind. Die erste Fassung ist die positive des Satzes der Ver 
schiedenheit (principium diversitatis), die zweite, der Satz des Nicht- 
zuunterscheidenden, die negative (principium indiscernibilium). Zwei 
Dinge sind nicht bloß numerisch verschieden, sondern ungleich. 
Als Leibniz diese Sätze in seinen Vorträgen vor der Königin 
Sophie Charlotte ausgesprochen hatte, bemühten sich die Hofdamen, 
zwei gleiche Blätter zu finden, um den Philosophen zu widerlegen. 
„Glückliche Zeiten für die Metaphysik, wo man sich am Hofe mit ihr 
beschäftigte, und wo es keiner anderen Anstrengung bedurfte, ihre 
Sätze zu prüfen, als Baumblätter zu vergleichen." „Es ist dies", sagt 
Hegel an einer anderen darauf bezüglichen Stelle, „eine bequeme, auch 
noch heut zu Tage beliebte Weise, sich mit Metaphysik zu beschäftigen." 
Der eigentliche Beweis des leibnizischen Satzes liegt tiefer, als die ver 
gleichende Betrachtung zu fassen vermag; er liegt darin, daß die Dinge 
nicht bloß unterschieden sind, sondern sich unterscheiden, oder „daß es 
den Dingen an ihnen selbst zukommt, unterschieden zu fein." 1 
Nach dem Satz der Verschiedenheit ist alles verschieden, also auch 
A ein bestimmtes, von andern verschiedenes A; daher ist der Satz der 
Verschiedenheit dem der Identität entgegengesetzt. „Als mit sich iden 
tisches A ist es das Unbestimmte; aber als bestimmtes ist es das 
Gegentheil hiervon, es hat nicht mehr nur die Identität mit sich, 
sondern auch eine Negation, somit eine Verschiedenheit seiner selbst von 
sich an ihm."^ 
Die Verschiedenheit besteht in der äußeren, vergleichenden Reflexion. 
Die Grundbegriffe der äußeren Reflexion sind die äußere Identität 
und der äußere Unterschied, jene ist die Gleichheit, diese die Un 
gleichheit; es giebt nicht zwei Dinge, die so gleich wären, daß sie 
nicht unterschieden werden könnten, nicht zwei Dinge, die so ungleich 
wären, daß sie nicht verglichen werden könnten, in gewissen Rücksichten, 
nach gewissen Seiten. Hier spielen die „Insofern" ihre Rolle. Je 
versteckter die Gleichheiten oder die Ungleichheiten, um so geistreicher 
ihre Auffindung und Hervorhebung, im ersten Fall die Vergleichung, 
im zweiten die Unterscheidung. Zwei Dinge, wie verschieden sie sein 
mögen, sind schon insofern gleich, als sie Dinge und jedes von ihnen 
eines ist. 3 
1 Bd. IV. S. 44. Bd. VI. § 117. Zusatz. S. 236. — 2 Bd. IV. B. Der 
Unterschied. S. 36—55. 2. Die Verschiedenheit. S. 38—43. Anmerk. S. 43. — 
° Bd. VI. Anmerk. S. 48-46. Vgl. Bd.VI. § 117. Zusatz. S. 234-236. (S.235.)
	        
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