Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Hegel als Hauslehrer in Bern. 
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Aus einer Zähringischen Besitzung war Bern nach dem baldigen 
Erlöschen seines Herrscherstamms (1218) eine unabhängige Stadt des 
heiligen römischen Reichs und im Laufe der Zeit durch Kriege und 
Bündnisse, durch die Eroberung namentlich des Aargau und der Waadt, 
durch die Einführung der Reformation mit allen dazugehörigen Säcu- 
larisationen das mächtigste Glied der alten Eidgenossenschaft und eine 
weithin regierende Stadt geworden, deren aristokratische Verfassung 
mehr und mehr den Charakter der ausgeprägtesten Oligarchie an 
nahm. Alle Versuche zur Losreißung der unterworfenen Länder, wie 
in Ansehung des Waadtlandes die Verschwörung des Majors Davel 
in Lausanne (1723), alle Versuche zum Sturze der Oligarchie, wie die 
Verschwörung Samuel Henzis in Bern (1749), wurden als Hochverrath 
verurtheilt und mit dem Tode bestraft. 
An der Spitze der Stadt und des Staates stand als Inhaber 
der gesetzgebenden Gewalt der große Rath, „die Zweihundert", aus 
denen der Schultheiß und der kleine Rath als die regierende und ge 
schäftsführende Behörde hervorging. Der große Rath (conseil souverain) 
war der eigentliche Souverän, dessen Mitglieder aus den regiments 
fähigen und regierenden Geschlechtern der Stadt gewählt und alle zehn 
Jahre zu Ostern ergänzt wurde. 
Die Mitglieder des großen und kleinen Raths als Träger und 
Inhaber der bernischen Staatsgewalt waren die gnädigen Herren 
(seigneurs souverains) und hießen «Leurs Excellences de Berne». 
Diese gnädigen Herren haben nicht geduldet, daß der Verfasser des 
«Contrat sociale» und des «Emile» abgeschieden von der Welt in 
stillster Verborgenheit auf der Petersinsel lebte (1765), und sie haben 
einige Jahre früher, als Voltaire sich in Lausanne aufhielt (1756—1758), 
ihren dortigen Beamten wissen lassen, daß gewisse Aeußerungen und 
Spässe, welche Voltaire in Privatkreisen über und wider die Kerner Auto 
ritäten zu machen gewagt habe, sehr übel vermerkt worden seien. Auf 
eine scherzhafte, aber recht kennzeichnende Art hat der damalige Schultheiß 
den berühmten Schriftsteller gewarnt und bedeutet, daß es weit un 
gefährlicher sei, wider den lieben Gott, die Religion und den Herrn 
Christum zu reden, als wider die berner Gewalthaber, da jene Be 
leidigungen vergeben, diese aber nie? 
1 «Monsieur de Voltaire, on pretend, que vous 6crivez contre le bon 
Dien, c’est un mal! Mais j’espere, qn'il vous le pardonnera; on ajoute, 
Fischer, Gesch. d. Philos. VIII. N. A. 2
	        
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