Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Der sich entfremdete und der seiner selbst gewisse Geist. 897 
' Ebendas. S. 419. - - Ebendas. S. 420 u. 421. 
9. Das Jenseits ist leer geworden. Es bleibt dem im Kampf 
mit der Aufklärung besiegten Glauben nichts übrig als die Sehnsucht 
nach einem leeren Jenseits, d. h. ein bloßes Sehnen. Der Glaube ist 
aus dem Kampf mit der Aufklärung als aufgeklärter Glaube hervor 
gegangen: er ist die unbefriedigte Aufklärung, die Aufklärung ist die 
befriedigte. Wir haben nicht mehr den Gegensatz zwischen Religion 
und Aufklärung, sondern nur noch den zwischen den beiden Arten der 
Aufklärung, der unbefriedigten und befriedigten. Es giebt nichts als 
Aufklärung. Die Frage heißt: worin besteht deren Wahrheit und 
nothwendiges Ergebniß? * 
Die siegreiche Aufklärung theilt sich nunmehr in zwei Parteien, 
denn darin zeigt und bewährt sich ihr Sieg, daß ihr Gegner und 
Feind nicht mehr ihr gegenüber und außerhalb ihrer steht, sondern 
innerhalb. „Eine Partei bewährt sich erst dadurch als die siegende, 
daß sie in zwei Parteien zerfällt, denn dadurch zeigt sie das Princip, 
das sie bekämpfte, an ihr selbst zu besitzen, und hiermit die Einseitig 
keit aufgehoben zu haben, in der sie vorher austrat." „So daß also 
die in einer Partei entstehende Zwietracht, welche ein Unglück scheint, 
vielmehr ihr Glück beweist." 
Die Frage, in welcher die Parteien sich scheiden, betrifft das 
absolute Wesen, jenseits und unabhängig von allem Bewußtsein, dieses 
eigenschafts- und prädicatlose Wesen: ob dasselbe als Gott ohne alle 
anthropomorphische Bestimmtheiten, d. h. als das höchste Wesen (l’etre 
supreme) oder ob es als Körper ohne alle sinnliche Beschaffenheiten 
(Sensationen), d. h. als Materie gefaßt werden soll? Demnach unter 
scheiden sich die beiden Parteien der Aufklärung: die gläubige und un 
gläubige, jene ist die deistisch, diese ist die materialistisch gesinnte 
Aufklärung. Der herrschende Begriff der Aufklärung, den beide Par 
teien bejahen und fordern, ist. wie wir schon oben gezeigt haben, der 
des Nützlichen, d. i. die Beziehung aller Dinge, Gottes und der 
Welt, auf das menschliche Wohl und dadurch auf den menschlichen 
Willen, der in seiner völlig uneingeschränkten Freiheit für souverän 
erklärt und auf den Thron der Welt erhoben wird. 
Die absolute Freiheit hat nichts, das außer ihr wäre und unab 
hängig von ihr: der Gegensatz einer jenseitigen und diesseitigen Welt 
hat aufgehört zu gelten. „Wahrheit wie Gegenwart und Wirklichkeit
	        
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