Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

394 
Der Geist. 
1 Ebendas. S. 406. 
5. Jene Nachrichten und Zeugnisse biblischer und legendarischer 
Art werden von seiten der Aufklärung gleich Zeitungsnachrichten ge 
schätzt, woraus wir die Kenntniß gewisser Begebenheiten schöpfen, 
während sie dem religiösen Bewußtsein nicht zur Quelle, sondern zur 
Bestätigung seines Glaubens dienen, der viel zu tief wurzelt, um von 
der Zufälligkeit solcher Nachrichten, ihrer Aufzeichnung, Aufbewahrung, 
Uebertragung u. s. f. abhängig zu sein. Wenn das religiöse Bewußt 
sein dazu fortgeht, diese Nachrichten als Glaubensquelle anzusehen und 
als solche zu prüfen, so ist es schon von der Aufklärung angesteckt und 
verführt. * 
6. Die Aufklärung weiß das religiöse Thun nur nach Abzug 
seines religiösen Charakters zu schätzen, welchen letzteren sie nicht ver 
steht; daher behält sie nichts übrig als ein äußeres Handeln, dessen 
Unzweckmäßigkeit und Unrichtigkeit sie verwirft; sie sieht in der Hostie 
ein Stückchen Brodteig, im Opfern und Fasten Entsagungen, die den 
Zwecken und Rechten des natürlichen Individuums Abbruch thun. 
Wenn das religiöse Bewußtsein das Bedürfniß fühlt, sich über seine 
natürliche Einzelnheit zu erheben und deshalb sich gewisse natürliche 
Genüsse und Vergnügungen zu versagen, auch etwas von den Mitteln 
dazu freiwillig aufzugeben, so kann es in dieser Absicht, also in seinem 
Sinn nicht zweckmäßiger und richtiger handeln als zu opfern und zu 
fasten. 
7. Hier ist der Punkt, in welchem Religion und Aufklärung sich 
wider einander zuspitzen. Nach der Aufklärung ist das natürliche 
Individuum, der Mensch als bewußtes Thier der Schöpfungszweck; 
nach dem Glauben ist die Ueberwindung und Aufopferung des natür 
lichen Menschen der Religionszweck. 
Der Mensch lebt, um glücklich zu sein, um sich seiner und der 
Welt zu erfreuen, um so viel Vergnügen und Ergötzen als möglich zu 
erleben, um alle Dinge zu nützen und selbst wieder sich zum gemeinnütz 
lichen und allgemein brauchbaren Mitgliede des Trupps zu machen. 
„Er ist, wie er unmittelbar ist, als natürliches Bewußtsein an sich, 
gut, als Einzelnes absolut, und anderes ist für ihn, und zwar, 
da für ihn als das seiner bewußte Thier die Momente die Bedeutung 
der Allgemeinheit haben, ist Alles für sein Vergnügen und Ergötzlich- 
keit, und er geht, wie er ans Gottes Hand gekommen ist, in der Welt
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.