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Die Phänomenologie des Geistes.
1 Ebendas. Einleitung. S. 66.
Wendigkeit und eigenen Gesetzmäßigkeit in sich, daß diese nichts andres
zu thun hat, als den Gang des Bewußtseins zu verfolgen und zu be
trachten. Es bleibt ihr, wie Hegel sagt, „nur das reine Zusehen".
„Nicht nur nach dieser Seite, daß Begriff und Gegenstand, der Maaß
stab und das zu Prüfende, in dem Bewußtsein selbst vorhanden ist,
wird eine Zuthat von uns überflüssig, sondern wir werden auch der
Mühe der Vergleichung beider und der eigentlichen Prüfung über
hoben, so daß, indem das Bewußtsein sich selbst prüft, uns auch von
dieser Seite nur das reine Zusehen bleibt." 1
Etwas aber hat der Betrachter vor seinem Gegenstände voraus,
und eben darin unterscheidet sich die Phänomenologie des Geistes von
ihrem Gegenstände, nämlich dem in seiner unwillkürlichen Umgestaltung
und Metamorphose begriffenen Bewußtsein: was nach dem Ausdrucke
Hegels „gleichsam hinter dem Rücken des Bewußtseins geschieht", das
ist dem phänomenologischen Betrachter einleuchtend und geschieht vor
seinen Augen. Das Bewußtsein glaubt, daß jenes Ansich, womit es
den Gegenstand vergleicht und prüft, außerhalb seiner Sphäre ist un
völlig unabhängig von seinem Wissen und Meinen, es weiß nicht, daß
dieses Ansich, der Maaßstab seiner Vergleichung und Prüfung, auch
sein Gegenstand und Gedanke ist; dies aber weiß der phänomenologische
Betrachter. Die Personen, die eine Geschichte erleben, wissen nicht,
wohin sie treiben; wohl aber weiß es der Erzähler, der die Geschichte
mit völliger Objectivität schreibt und dieselbe genau so geschehen läßt,
wie sie in Wahrheit verlaufen ist. Wie sich die Erzählung von den
Personen ihrer Geschichte und deren Schicksalen unterscheidet, so unter
scheidet sich die Phänomenologie von dem Gange und den Erlebnissen oder
Erfahrungen des Bewußtseins. Zu dem Gange und den Erfahrungen
des Bewußtseins gehören eine Reihe nothwendiger Täuschungen und
Selbsttäuschungen, die erlebt und erlitten werden müssen, um erkannt
zu werden; die Phänomenologie dagegen durchschaut diese Täuschungen
und ist selbst davon frei. III.
III. Der Stufengang des Bewußtseins.
1. Die Hauptstufen.
Da das Bewußtsein sich selbst sowohl auf die Gegenstände bezieht
als davon unterscheidet, so sind die Dinge und das eigene Selbst die