Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Hegels Wirksamkeit in Berlin. 
139 
trauter Freund L. Tiecks, hatte Hegels Berufung gewünscht und be 
antragt. Er schreibt seinem Freunde Tieck (26. April 1818): „Ich 
bin begierig, was Hegels Gegenwart für eine Wirkung machen wird. 
Gewiß glauben viele, daß mir seine Anstellung unangenehm sei, und 
doch habe ich ihn zuerst vorgeschlagen und kann überhaupt versichern, 
daß, wenn ich etwas von ihm erwarte, es nur eine größere Belebung 
des Sinnes für Philosophie, also etwas Gutes ist. Als ich noch neben 
Fichte stand, hatte ich zehnmal so viel Zuhörer als jetzt. Ich verehre 
Hegel sehr und stimme in vielen Stücken höchst auffallend mit ihm 
überein. In der Dialektik haben wir beide unabhängig von einander 
fast denselben Weg genommen, wenigstens die Sache ganz an derselben 
und zwar neuen Seite angegriffen. Ob er sich in manchem anderen, 
als mir eigenthümlich ist, ebenso mit mir verstehen würde, weiß ich 
nicht. Ich möchte gern das Denken wieder ganz in das Leben auf 
gehen lassen" u. s. f. Diese letzten Worte bedeuten bei Solger, daß 
die Dialektik wieder als lebendiges, kunstmäßig gestaltetes Gespräch, 
d. h. als Dialog bethätigt werden solle, und er hatte zur Darlegung 
der Grundideen des Wahren, Guten, Schönen und Göttlichen in den 
vier Gesprächen seines Erwin das Muster eines solchen dialogischen 
Philosophirens zu geben versucht. Das Buch blieb ungelesen. Das 
platonisirende Gespräch mit seinen aus künstlerischen Motiven gerecht 
fertigten Hemmungen, Digressionen und rückläufigen Wendungen ent 
sprach zu wenig dem Denk- und Erkenntnißbedürfniß des Zeitalters, 
das in seinen intellectuellen Bestrebungen nicht durch dialogische Ver 
wicklungen aufgehalten sein wollte, und die berlinische Geistesart 
vollends, welche schnell und direct auf das Ziel loszugehen liebt, war 
den dialogischen Schwierigkeiten und Umwegen abgeneigt. Durch diesen 
Mißerfolg fühlte sich der edle und liebenswürdige Mann tief ver 
stimmt; er würde, wenn es nach ihm gegangen wäre, die Universität 
in Frankfurt der in Berlin vorgezogen haben. Hegel hatte seine Lehr- 
thätigkeit in Berlin eben begonnen, als Solger am 22. November 1818 
an Tieck schrieb: „Ich war begierig, was der gute Hegel hier für einen 
Eindruck machen würde. Es spricht niemand von ihm, denn er ist 
still und ffeißig. Es dürfte nur der dümmste Nachbeter hergekommen 
sein, dergleichen sie gar gerne einen hätten, so würde großer Lärm 
geschlagen und die Studirenden zu Heil und Rettung ihrer Seelen 
in seine Collegia gewiesen werden."* Aus diesen Aeußerungen er 
1 Rosenkranz. S. 319 u. 320.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.