Volltext: Vom Frühjahr 1915 bis zum Kriegsende 1918 (2 ;)

Oblt. Morgenstern. Die Stimmung war unbeschreiblich, doch waren sich alle der ganzen Schwere 
ihrer Lage nicht voll bewußt. Das Band herzlicher Kameradschaft umschloß sie gerade in dieser 
schweren Not besonders eng und ließ sie das furchtbare Leid leichter ertragen. Dieser 3. Novem¬ 
ber 1918 wird allen wohl zeitlebens unvergeßlich bleiben! 
Die Gefangennahme des Kaiserjäger-Sturmbataillons-Trams und seiner Bedeckung, der Sturm¬ 
kompagnie Kaiserjäger 3, Oblt. Runge, nördlich von Trient nächst Gardolo (4. November 1918) 
Sn der Nacht vorn 3. aus den 4. November 1918 wurde der Train des Kaiferjäger-Sturm- 
bataillons nach vorhergegangenen Verhandlungen mit den Italienern zum Ablegen der Waffen 
gezwungen und dann gefangen erklärt. Wie dies vor sich ging, schildern nachstehend auszugs¬ 
weise wiedergegebene Tagebuchaufzeichnungen des Oblt. 3ofef Runge: 
1. November 1918 in 6. Sebastiano: Kommando und halbe Sturmkompagnie Kaiserjäger 3 
sind alarmbereit in ihren Unterkünften. Die Gerüchte Uber einen bevorstehenden Waffenstillstand 
verdichten sich immer mehr. Abends, — Dunkelheit herrscht bereits, da werde ich von einer 
Ordonnanz aus der Offiziersmesse geholt. Aus der Straße hält ein Reiter. Ts ist mein Bruder, 
der damalige Personaladjutant des Kommandanten des XIV. Edelweißkorps, Exzellenz v. Ver¬ 
droß. Tr teilt mir mit: Von der Front sind beunruhigende Nachrichten eingelangt. Die Ver¬ 
bindung ist unterbrochen. Da kein Ordonnanzoffizier zur Verfügung, habe er Auftrag, die Ver¬ 
bindung zwischen dem Korpskommando und dem Abschnitt Earbonare herzustellen und Uber die 
Lage im Nachbarkorps Klarheit zu schaffen. 
Mein Bruder verspricht mir — falls es ihm gelingen sollte zurückzukehren — Aussprache an 
derselben Stelle. Nach kurzem Abschied verschwindet der einzelne Reiter in der Dunkelheit. 
Von der Front Hallen dumpfe Abschüsse ausfeuernder Artillerie herüber. Feuerbrände lohen 
am Horizont. Tin schaurig schöner Anblick. Verpflegs- und Munitionsvorräte werden von 
unseren Truppen auf diese Weise vernichtet. Lange hält mich dieses letzte Aufbäumen der Front 
im Banne. Vierjähriges heldenhaftes Ringen gegen übermächtige Feinde, zahllose Blutopfer 
und nun? Schwere Gedanken jagen einander. 
Wir Offiziere verbringen die Nacht zum 2. November in der Messe, jeden Augenblick den 
Abmarschbefehl erwartend. Sn früher Morgenstunde — es beginnt soeben das Grauen des her¬ 
aufkommenden Tages — trifft mein Bruder auf feinem müden Gaul ein und berichtet mir, daß 
die Front zum Teil in Auflösung sei. Einzelne Regimenter, besonders Maggaren und Slawen, 
verlassen ohne Befehl die Feuerlinie. Etappenkonnnando Earbonare ist schon zurückgegangen, 
usw. 
Wir nehmen voneinander brüderlichen Abschied in der Gewißheit, einem dunklen Schicksal 
entgegenzugehen. Mein Bruder reitet zum Standort des Korpskommandos nach Folgaria, bezw. 
nach Arquaviva. 
Bald darauf kommt für uns der Abmarschbefehl nach Folgaria. 
Sch marschiere mit dem Train voraus in den tagenden Herbstmorgen hinein. Bon allen 
Richtungen sehen wir zurückmarschierende Abteilungen aller Waffengattungen. Am Sonnno- 
Sattel wühlen noch einzelne italienische Artillerie-Geschosse links und rechts der Straße die 
Erde unter krachendem Bersten auf. Für uns sollte es das letzte feindliche Feuer des Welt¬ 
krieges sein! 
Sn Folgaria erwarte ich die eigene nachrückende Kompagnie, welche etwa um 7 Uhr vormit¬ 
tags einlangt. Sofortiger Weitermarsch nach Acquaviva, wo das XIV. Korpskommando bereits 
die Nacht verbracht hatte. Hier folgt die Trennung des Sturmbataillons von feinem Train. 
Das Bataillon selbst bezieht Stellung bei Rio Secco. Bon Hptm. Teuber erhalte ich den Be¬ 
fehl, den gesamten Train, welchem als Bedeckung zirka 50—60 Alaun beigegeben werden, nach 
Snusbruck zu bringen. 
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