Volltext: Vom Frühjahr 1915 bis zum Kriegsende 1918 (2 ;)

den Schlaf. Da schreckt uns das furchtbare Saufen der Granaten auf. Plötzlich fegt es uns das 
Zeltdach hinweg. Wir ducken uns in das nächste Lrdloch, zwei Zager decken sich schon dort. — 
Rings um uns Höllenlärm. Alles schießt, auch unsere 30.5er rumpeln und gröhlen schwerfällig 
daher. Dazwischen pfeifende kleine Kaliber. Die Maschinengewehre pochen. 
Wir versuchen zum drittenmal den Angriff auf den Mt. Liove. Sch presse den Kopf in die 
Arme und mit aller Gewalt suche ich das Rervenfieber zu unterdrücken. Auf einmal höre ich 
meinen Namen rufen und erhalte den Befehl: „Hinaus zum linken Flügel, um mit der 16. Kom¬ 
pagnie der 1er Kaiferjäger vorzugehen. Zähnezusammengebissen und vorwärts, in langen Sprün¬ 
gen, alle Augenblicke in den Kot gleitend, Halt suchend an nassen Asten, mitten durch das wütende 
Feuer. Am Kamme oben liegen meine braven Zäger, den Kopf Mischen den Steinen angstvoll 
verborgen, weiter links Geschrei einer stürmenden Kompagnie. Sch rufe nach dem Leutnant 
Zauser des 1. Regiments. „Wer dort?" — „Kadett Siegt der 13. Kompagnie!" — „Gott sei 
Dank! Du, die eigene Artillerie zertrümmert meine Kompagnie. Gelephon hin, keine Verbindung. 
Bitte dich, melde zurück um alles in der Welt: Artillerie-Feuer einstellen!" Gin atembeklemmendss 
Zischen fährt durch die Luft, rotes Flammenaufzucken, ein vernichtender Donner, die Erde bebt. 
Mein Puls stockt. Sch berge meinen Kopf hinter Zelstrümmern. Da noch einmal dasselbe Schau¬ 
spiel — zwei 30.5er, die viel zu kurz geschossen! Gin Wunder, daß ich noch lebe. Durch die vor¬ 
stürmenden Schwarmlinien geht ein gräßlicher Schrei: „Zurück! Zurück! Sn die alten Stellungen!" 
Mir schien es, als ob alles schreie, stöhne, im Gode röchle. Uber liegende Schützen, Leichen, bahne 
ich mir den Weg zurück und mit letzter Kraft Uberbringe ich die Meldung dem Oblt. v. Winnicki. 
Rach einem Schluck Rum und einigen Brocken schmutzigen Zwieback, Göttermahl in solcher Zeit, 
haste ich wieder vor an den linken Flügel. % 
Gs ist ruhiger geworden. Li. Fauser sammelt weinend die Überreste seiner zerschlagenen 
Kompagnie. Gr schluchzt wie ein Kind. Gs wird unheimlich still. Man hört vom Gefechtsfelde 
deutlich die Rufe Sanitä-ä-8t. Sie verhallen grauenvoll im Nebel. Wir können keine Hilfe 
bringen... Wieder war ein Angriff vergeblich gewesen. Leise rieselt ein feiner Sprühregen her¬ 
nieder ..." 
Flatfcher schildert anschaulich die Hartnäckigkeit dieser Kämpfe: „Neben mir lag ein strammer 
Zillertaler, ein Rachgemusterter, bei feinen Kameraden „Gamspeter" genannt. Gr hatte einen 
alten Vater, ein Weib und fünf Kinder, und war deren einziger Grnährer. Reben ihm kauerte ein 
anderer, ein junges Blut. Gs war der Nachbarsohn des Peter, sein treuer Dorfgenofse und 
Kamerad. Gm Blick auf die Uhr: Bald zwölf! Gin Murmeln ging durch die Schwarmlinie. 
„Bajonett auf!" Schon erhob sich ein Nebenzug. „Auf!" rief ich mit heiserer Stimme und schon 
sprangen wir auf. Unsere Geschütze verstummten auf einmal. Gine unheimliche Stille. Rur das 
Keuchen d-er Stürmer war zu vernehmen. Doch schon war der Feind erwacht. Die Kugeln prassel¬ 
ten vor uns in den Boden. Die Maschinengewehre begannen zu wüten und schütteten uns ganze 
Garben von todbringenden Geschossen entgegen. Bald da, bald dort brach ein Zäger getroffen 
zusammen. Aber es gab kein Zagen und kein Zurück. Smmer dünner wurde unsere Linie, immer 
lauter das Zammern und Stöhnen der Sterbenden, immer wilder das feindliche Feuer. Gndlich 
beim Drahtverhau. „Nieder!" brüllte ich soviel meine keuchende Lunge hervorbrachte. Sch blickte 
nach rechts, nach links. Herrgott, nur mehr so wenig Leute. Doch da half kein langes Zögern — 
vorwärts in die feindlichen Gräben! Doch der Sieg war uns diesmal versagt. Die Staliener 
wehrten sich tapfer. Handgranaten sausten durch die Luft. Hier flogen einem Zäger Steine auf 
den Schädel, daß er wie ein Sack zusammenbrach. Wir sind zu wenige, wir laufen ins Verderben, 
dachte ich mir und schon rief ich „Zurück!" Dort hinten schaute ein Steinblock aus dem Boden, 
für den Augenblick konnte er uns ja Deckung bieten. Also dorthin. Kaum war ich dort ange¬ 
kommen, so wandte ich mich wieder gegen den Feind. Da sah ich ein rührendes Bild, das ich 
für mein Leben nicht mehr vergessen werde. Der junge Zillertaler schleppte seinen schwer verwun¬ 
deten Freund, den Gamspeter, auf den Rücken daher. Gr wollte feinen Kameraden nicht im 
Stiche lassen. Doch schon sank er dahin. Ginige wohlgezielle Schüsse der Alpin! hatten nur zu 
gut getroffen. Gr lag unter seiner teueren Last und hauchte seine Heldenseele aus.. 
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