Volltext: Vom Frühjahr 1915 bis zum Kriegsende 1918 (2 ;)

stände die denkbar beste Einsicht in unsere Stellungen gewähren. Das beinahe senkrecht über¬ 
ragende Kanzelgeschütz schießt nicht selten ebenfalls auf Einzelpersonen. 
Haarscharf pfeifen die Geschosse um die Ohren, nur sprungweise kommen wir weiter. Hinter 
einem hohen, fast senkrechten Felsblock gewahren wir die Reste eines Unterstandes, der durch 
einen Volltreffer zerstört wurde. An den nächsten zwei Unterständen bemerkt man die zerstörende 
Arbeit des nächtlichen Sturmwindes, der auch ein Reservemagazin zum Einsturz brachte. Letzteres 
wird von den FLgern insofern gern gesehen, da dabei etwas zur Menageaufbesserung abfällt. 3m 
allgemeinen find die Leute mit der Verpflegung zufrieden, nur die Holznot wird bitter empfunden. 
Wir eilen nun den Verbindungsgraben — tatsächlich ein offener Weg — zum Stellungskommando 
zurück. Unter einem mächtigen, würfelförmigen, überhängenden Festen hat das Stellungskommando 
eine Raturhöhle „wohnlich" eingerichtet. Sogar Bank und Tisch stehen darin, sowie ein Schwarm¬ 
ofen, deffen Kaminröhre mitten in der Höhle endigt. „Weils noch mehr raucht, wenn das Rohr 
außen aufhört", sagen die Sachverständigen, zwei Telephonisten, welche, die Kopfhörer an den 
Ohren, in einer Ecke der Höhle liegen; zum Litzen ist sie dort zu niedrig. Line flackernde Kerze 
erleuchtet den Raum. Eine aus Steinen und Sandfäcken gebildete Mauer bildet die Außenwand. 
Auf den Felsblock saufende Granaten werden unter ihm nur mehr als dröhnende Hammerschläge 
wütender Titanen empfunden. 
Ls geht gegen Mittag. Einzelne Fäger fitzen vor den Unterständen und suchen nach den kleinen 
Plagegeistern, die sich in Wäsche und Kleidern (besonders in den Nähten) aufhalten. Aber es 
ist vergebliche Mühe, die Unterstände sind total verlaust und sorgen dafür, daß die Nasse nicht 
ausstirbt. Andere Leute schreiben Zeldpostkarten, reinigen ihre Gewehre oder reparieren etwas 
an ihrer Ausrüstung. Zwei in Schneemäntel gehüllte Männer kommen keuchend vom Travenanzes- 
tal herauf. Es sind die Menageträger, welche auf Tragkraxen Kochkessel tragen und mit nicht 
geringer Freude erwartet werden. 
Mit einem vorzüglichen Fernglas suchen wir inzwischen die Hänge der Tofana II ab und 
entdecken Fußspuren italienischer Patrouillen, die augenscheinlich einen Pfad ausfindig machen, 
um uns in den Rücken zu kommen. (Tatsächlich haben die Italiener am 9. Füll 1916 auf diese 
Weise die Stellung überrumpelt.) Posten hörten in der letzten Nacht aus jener Richtung das 
Herabrollen von Steinen und das Aufschlagen von Beilpicken. Gegenüber befindet sich die Ab¬ 
lösung der italienischen Feldwache auf Tofana I im Aufstieg. Rasch wird ein Maschinengewehr 
dahin in Feuerstellung gebracht. Der beschossene Feind sucht möglichst schnell aus dem Feuerbereich 
zu kommen, aber zwei Mann bleiben liegen. Als Revanche sendet das Kanzelgeschütz mehrere 
Granaten zur Fegerfeldwache, eine auf halber Höhe zur Tofana I auf der Nordfeite liegende 
Postierung zum Schutze unserer rechten Flanke der Fontana negra-Stellung. Vom Monte Eastello 
her erwidert das „Göttinger-Geschütz" und schließlich wird der 24er Mörser bei der Eisenofenalm 
um Feuerunterstützung angerufen. Einige „Schwere" sausen durch die Lüfte gegen die Kanzel, 
aber schon ist das Kanzelgeschütz in seiner Kaverne verschwunden. 
Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt es erst in der Stellung lebendig zu werden. Die Träger- 
Kolonne trifft ein, Holz und Material zum Stellungsbau mitbringend. Die Drahthindernisse wer¬ 
den erneuert, die Postenstände, Kampf- und Verbindungsgräben ausgebessert. Auch ein Sappeur¬ 
fähnrich ist heute mit mehreren Sappeuren hier, um die im Vorgelände gelegten Minen auf ihre 
Verwendbarkeit zu prüfen. Eine der Minen soll zu diesem Fwecke probeweise losgelassen werden. 
Die Abzugsvorrichtung funktioniert nicht. Rasch entschlossen beginnt der Fähnrich die Mine 
eigenhändig auszugraben. Plötzlich ertönt eine furchtbare Explosion, eine mit Schnee und Steinen 
vermischte Erdfontäne steigt empor. 100 Schritte entfernt fällt der entseelte, schrecklich verstüm¬ 
melte Körper des Armen zu Boden. Unweit davon liegt sein Helfer, ein Sappeurgefreiter^ ebenso 
zerstückelt. Rittmeister Graf Des-Fours stürzt hinaus und sucht unbekümmert des nahen Feindes 
mit der Taschenlampe die Gefallenen. Die sterblichen Überreste werden gesammelt und zu Tale 
befördert. Bedrückt gehen die Leute weiter an ihre Arbeit. — Patrouillen eilen hinaus über 
den knirschenden Schnee, um das Verhallen des Feindes auszukundschaften. Daheim entschlum¬ 
mern sorgende Mütter im Abendgebet." 
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