Volltext: Vom Frühjahr 1915 bis zum Kriegsende 1918 (2 ;)

Rächt geworden. Unendlich mühsam geht es vorwärts. Stumm trotzen die Männer allen feind¬ 
lichen Gewalten und klimmen die Höhe empor. 
Endlich ist die letzte Stufe des Zelsabsturzes bezwungen und wir erreichen den Außenrand der 
Zorcella di fontana negra. Sn alpiner Hinficht ist das fchwierigfte Stück überwunden, ohne daß 
die Naturgewalten ein Opfer gefordert hätten. Run aber kommen wir in den Bereich des feind¬ 
lichen Kleingewehrfeuers und Uber uns erheben fich drohend die mit Geschützen, Minenwerfern 
und Scharfschützenständen bespickten Schroffen der Lofana I und II. Gott sei Dank, der Mond 
ist durch die eilenden Wolken verdeckt und der sausende Wind macht den Lärm unseres Kommens 
unhörbar, trotzdem schießt der Gegner mit dem sogenannten Kanzelgeschütz aufs Geratewohl und 
trifft — seitwärts in den Schnee. Dort ist noch viel Platz. — Rach dreistündigem Steigen sind 
wir endlich am Ziel. Sehnsüchtig harrt man dort auf die Ablösung, nach siebentägigem Aufenthalt 
kein Wunder. Wir beziehen nun die Unterstände — hinter hohen Felstrümmern befindliche 
Schlupflöcher — und übernehmen die Postenstände." 
Gin Lag auf der Zorcella di fontana negra 
Einzelne Schüsse fallen, die Morgendämmerung einleitend, und Hallen an den Felswänden 
tausendfach wieder. Sm Morgennebel heben sich langsam die Drahthindernisse ab, welche, schüch¬ 
tern aus dem Schnee hervorragend, die Kampflinien zwischen den mächtigen Zelsblöcken kenn¬ 
zeichnen. Die Posten, in dichte Pelzmäntel gehüllt, die Haare nach innen, das weiße Zell nach 
außen gekehrt, gleichen mehr abenteuerlichen Polarforschern als biederen Kaiserjägern vom hei¬ 
ligen Land Eirol. Klobige Strohüberschuhe schützen die Füße vor der grimmigen Kälte und filzige 
Fäustlinge bedecken die Hände, im ganzen etwas komisch wirkende Figuren. Am Gürtel hängende 
Handgranaten, das am schußbereiten Gewehr aufgepflanzte Bajonett erinnern, daß hier nicht zu 
spaßen ist. Unablässig suchen scharfe Augen das Vorgelände ab, betrachten argwöhnisch die feind¬ 
lichen Linien und wehe dem, der sich dort blicken läßt! Acht, bei Nacht lZ Augenpaare, sind 
stets gegen den Feind gerichtet, um jede verdächtige Veränderung, jede Bewegung, jeden An¬ 
näherungsversuch sofort festzustellen. Die meisten Posten stehen hinter an Felsen angelehnte 
Landsackmauern, von wo sie das Gelände — ein imposantes Gestemstrümmerfeld — überschauen 
können. Sappeure haben in das Vorfeld Minen gelegt, die vom Postenstand aus, wenn Gefahr 
droht, durch eine einfache Zugvorrichtung zur Explosion gebracht werden. An einigen Posten- 
ständen sieht man an den Felsen in Kopfhöhe handgroße, schwarze Flecken, die von den ungezählten, 
aufschlagenden italienischen Geschossen herrühren. Ein Wink, stets auf der Hut zu fein! 
Hinter hohen Zelsblöcken befinden sich die niederen Unterstände der Siellungsbesatzung. Line 
steifgefrorene alte Decke bildet die Eüre der aus rohgefügten Steinen errichteten Behausung. Sie 
gleicht mehr einer finsteren Höhle, denn kein Zensier erhellt das Snnere und nicht der kleinste Mann 
kann darin aufrecht stehen. Die Leute kauern um den in der Mitte ausgestellten Schwarmofen, 
dem Liebling des ZLgers. Das bescheidene flackernde Feuer spendet durch das halbgeöffnete 
Ofentür! etwas Licht. Soeben find die letzten an der Stellung arbeitenden Männer — größere 
Arbeiten find nur bei Nacht möglich — zurückgekehrt und suchen sich ein Plätzchen, die versäumte 
Nachtruhe nachzuholen. Ein Zäger zerlegt mit seinem Bajonette mit Wohlbehagen ein erhaltenes 
Liebesgabenkistchen, um in erster Linie das hier Köstlichste zu gewinnen — das Holz. Sorgsam 
schneidet er lange Späne und legt sie behutsam neben die Feuerstelle. 
Wir verlassen den Unterstand und bewegen uns in gebückter Haltung, zeitweise nach den 
italienischen Postenstellungen am Sattel auslugend, durch den Schützengraben weiter. Aber trotz 
Schneemantel und Schneehaube haben uns der „August" und der „Seppl" bereits erspäht. Der 
„August" ist ein italienischer Scharfschützenposten in der Nähe des sogenannten Kanzelgeschützes 
auf einer Rückfallkuppe der Tofana II, der „Seppl" ist dasselbe am Fuße der Punta Marietta. 
Mit ihren Zielfernrohrgewehren lauern sie den ganzen Lag von den hohen Aussichtswarten auf 
sich bietende Ziele. Gar mancher Zäger ist von ihnen bereits getroffen worden, weil diese Posten-
	        
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