Volltext: Viribus Vnitis. Das Buch vom Kaiser

Eine seltsamere architektonische Staffage ist wohl keinem Denkmal der Welt geworden, als dem Maria Theresien- 
Monument in Wien, schwerlich auch eine köstlichere bauliche Umrahmung. Kaum lässt sich ein stärkerer Stilcontrast denken, als 
die reiche Spät-Renaissance der beiden Kuppelbauten der Hofmuseen, zwischen welchen sich das Erzbild der grossen Habsburg 
tochter erhebt, und das langgestreckte, einfache Gebäude Fischer’s von Erlach, dessen Fa9ade von jenseits der Lastenstrasse 
herübersieht nach dem Denkmal, den beiden Schatzhäusern der Kunst und der Natur und weiterhin nach den ernsten Formen des 
Burgthors mit der bedeutsamen Inschrift am Fries. 
Jener weitläufige Bau mit der spärlich gegliederten, in eintöniges Gelb getauchten Front beherbergt den kaiserlichen 
Marstall. Er ist von altersher berühmt ob seines edlen Materials, wie nicht minder ob der zweckmässigen Ausstattung und der soliden 
Eleganz des Fuhrwerks. Die Wagen mit den »Goldrädern« sind für den Wiener von jeher ein Gegenstand respectvoller Neugierde 
gewesen. Es sind die Leibequipagen der Majestäten und der Erzherzoge: grüner Lack mit goldenen Streifen an Kasten und Rädern. 
Man sieht schier endlose Colonnen dieser Wagen im ersten Stockwerk des Hofstallgebäudes. Daneben stehen die Galawagen, mit 
welchen fremde Fürstlichkeiten vom Bahnhofe eingeholt werden. Sie sind dann ä la Daumont bespannt, mit Postillon und Stangenreiter. 
Hier ist auch die berühmte Krönungscarosse zu schauen, ein Meisterwerk der Wagenbaukunst, welches Carl VI. in Spanien anfertigen 
liess. Durch kostbare Spiegelscheiben erblickt man den rothen, goldbordierten Brokatbezug der Sitze. Die heiter-festlichen Bilder 
an der Decke und dem Schlag sind von Rubens’ Hand. Speichen und Deichsel zeigen überreiche Vergoldung. Auch Wagen haben 
ihre Schicksale, und dies prunkhafte Vehikel hat manchen denkwürdigen Augenblick gesehen. Elisabeth Christine, Carl’s des Sechsten 
Gemahn, sass darin, als sie in Wien einzog. An dem denkwürdigen Junitage des Jahres 1867 umbrauste die alte Carosse der 
Jubel der Ungarn, als König Franz Joseph und seine holdselige Königin von der Burg zur Krönung fuhren. Und aus den Fenstern 
desselben Wagens lächelte die Kronprinzenbraut Stephanie, als sie vom Theresianum ihren Einzug in die Burg hielt und tausend Wiener 
Kehlen ihr jauchzenden Willkomm entboten. 
Dicht daneben mahnt düsterer Trauerprunk an die Vergänglichkeit aller Pracht und Macht der Erde. Es sind die Wagen, 
welche Kaiser und Prinzen des Erzhauses zur letzten Ruhestatt bringen. Schwarz der eine, tiefroth der andere. Unweit davon stehen, 
freundlichere Gedanken weckend, ein paar kleine Kaleschen. Auf einer derselben hat Kaiser Franz Joseph sich zuerst als Rosselenker 
versucht; vielleicht ohne zu ahnen, wie so bald seine Hand diese Zügel mit jenen der Herrschaft vertauschen sollte. In einer 
Fensternische sieht man den Kutschierphaeton des Herzogs von Reichstadt; ihm, dem armen König von Rom, ist jener Tausch 
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