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verrichtet, nimmt er rasch ein leichtes Frühstück, vielleicht nur um so bald als möglich zu seinem geliebten Tschibuk zu gelangen.
Das Frühstück schmeckt ihm besser, wenn er weiss, dass er danach eine Pfeife raucht.
Ist das gethan, dann folgt das schwere Tagewerk des Herrschers. Ja, das Regieren ist eine schwere Arbeit, wenn einer
es so ernst damit nimmt, wie Kaiser Franz Joseph.
Er zieht sich in sein Arbeitszimmer zurück und studiert die eigens zu diesem Zwecke zurückbehaltenen Vorlagen. Er
sieht die Excerpte durch, übernimmt den Wiener Einlauf und erledigt die dringendsten laufenden Geschäfte. Erst gegen Mittag hat
er Zeit für private oder allgemeine Audienzen.
Die Thür Sr. Majestät steht seinen Unterthanen offen. Jeder kann frei vor seinen Herrscher treten. Die Cabinetskanzlei
weist Niemanden zurück. Der Monarch spricht bei den allgemeinen Audienzen meistens ungarisch.
Der Kaiser steht beim
Empfang der Parteien in der
Mitte des Gemaches. Gütig,
doch in militärischer Haltung
hört er ihre Beschwerden oder
sonstigen Mittheilungen an. Nur
selten tritt er zurück an den
Schreibtisch, um sich mit Blei
stift etwas zu notieren. Glaubt
er den Sachverhalt ausreichend
zu kennen, so sagt er ein paar
Worte: »Es ist gut. — Ich
werde das Mögliche thun. —
Seien Sie ruhig«. Dann tritt er
einen Schritt zurück, wobei
seine Sporen leise erklirren, und
das ist für den Betreffenden das
Zeichen sich zu entfernen.
Wer das Gegentheil glaubt,
täuscht sich bitter. Ein ungari
scher Minister, der wegen einer
unangenehmen, aber nicht ehren
rührigen Sache gefallen war,
nahm die gebräuchliche Ab
schieds-Audienz. Der Kaiser
empfieng ihn freundlich und
entliess ihn mit den Worten:
»Ich danke Ihnen, lieber
Graf«.
Als der Graf die gnädige
Stimmung des Monarchen sah,
versuchte er, statt sich zu entfernen, sein ganzes Verfahren in einer mit aller logischen Schärfe durchgeführten Vertheidigungsrede
reinzuwaschen. Se. Majestät hörte ihn geduldig an und sagte dann:
»Ja, ja. Also nochmals, ich danke Ihnen, lieber Graf!«
Er ist in allen Zweigen der Verwaltung unendlich bewandert und will von jedem kleinsten Detail wissen. Ein Minister,
der sein Ressort nicht versteht, hat bei ihm einen sehr schweren Stand. Allein er ist nicht nörgelnd, nicht kleinlich und schon
gar nicht eigensinnig. Argumenten unterordnet er seinen Willen alsbald. Ein guter Minister, zu dem er Vertrauen hat, arbeitet
mit ihm leicht. Die meisten Schwierigkeiten in Staatssachen entspringen aus seinem Hang zur Sparsamkeit, der sich mitunter
selbst in Kleinigkeiten kundgiebt.
Einmal berichtete Graf Franz Zichy, Botschafter in Konstantinopel, über ein Gespräch mit dem dort zu Besuch weilenden
russischen Minister des Auswärtigen, den er auf einem unserer Schiffe im Goldenen Horn spazieren fuhr. Der Kaiser schrieb mit
seinen schönen, grossen Buchstaben auf den Rand: »Wer zahlt die Kohle?«
Nur bei Neuausgaben für das Heer vermag er seiner Sparsamkeit Herr zu werden; doch lasten gewiss auch diese Aus
gaben bleischwer auf seiner Seele, denn so oft die Delegationen solche Millionen bewilligen, kommt hinterher immer etwas für die
Nation; irgend eine angenehme staatsrechtliche Kleinigkeit.
Auch mit Orden und anderen Auszeichnungen ist er nicht freigebig.
MINISTERPRÄSIDENT BARON BANFFY BEIM VORTRAG.