Volltext: Viribus Vnitis. Das Buch vom Kaiser

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DAS SCHLAFZIMMER DES KAISERS. 
Wenn der Kaiser erwacht, fällt sein erster Blick auf diesen grossen ungarischen Mann. Sie beide haben, in erster Reihe, 
den Ausgleich von 1867 geschaffen; darum will der Kaiser dieses Bild zuerst sehen, wenn er erwacht und zuletzt, wenn er ein 
schlummert. Man wollte es schon durch ein grösseres und künstlerischer ausgeführtes ersetzen, aber der Kaiser hängt an diesem, 
denn es ist aus der Zeit, als sie Beide zusammen arbeiteten. 
An den Wänden der Wohnzimmer hängen meist Bilder von ungarischer Hand und ungarischem Stoff. 
In einer Ecke des Rauchzimmers steht der »Kameeltreiber« von Johann Vastagh, dem Jüngeren, ohne Zweifel eine der 
besten Leistungen dieses jungen Künstlers und der ungarischen Genreplastik. Schade, dass die Statue nur Gyps ist, nicht Bronze 
und Marmor; der lange, dünne Bart des Kameels musste schon dreimal wieder angeklebt werden, da der Staubbesen einen eigenen 
Hang hat, ihn abzubrechen. 
Der Thronsaal schimmert in goldgelbem Stuck von feinstem Schliff. Durch die Hinausschiebung der Hoffa9ade ist er 
bedeutend vergrössert und hat auch der Länge nach einen luftigen Wandelgang angesetzt. Seine Wirkung ist auf den Abend berechnet, 
wenn 960 elektrische Flammen, jede mit einer Leuchtkraft von 10 Kerzen, ihn in blendenden Lichtglanz tauchen. Der Thron, 
nach dem er benannt ist, fehlt für gewöhnlich. Nur für die Eröffnungs- und Schlusssitzungen des Reichstages, sowie der Delegationen, 
und für andere grosse Momente des Staatslebens wird er hineingeschoben. Er steht dann in der Mitte der Langwand und die 
Bänder, die ihn halten, werden mittelst Spangen, die oben ins Gesimse eingelassen sind, fixiert. Von all diesen Befestigungs- und 
Sicherungsmitteln ist aber nichts zu sehen. Der Gipfel des Baldachins, dessen purpurrother Sammt durch Goldschnüre in malerische 
Falten gerafft ist und die breit niederwallenden Seidendraperien verdecken die ganze blank geschliffene Wand. Auch der Thronsessel ist 
ein anderer geworden. Die Zöglinge der Budapester Gewerbeschulen haben an den Stickereien des neuen Thrones drei Jahre lang gearbeitet. 
Es ist ein prächtiger Anblick, wenn in diesem Saale die Grössen des Landes an Geburt, Rang und Geist, die Minister, 
Magnaten, Kirchenfürsten und Generale, sämmtlich in ihren malerischen Trachten, Ornaten und Uniformen, sich zusammenfinden. 
Ein Hofball vollends verwandelt ihn in einen Feengarten. Die schönen Frauen und Mädchen Ungarns schmücken ihn dann gleich 
lebendigen Blumen und der Rausch des Walzers, das aufregende Feuer des Csardas bringt all] diese Farbenpracht in Bewegung. 
Die Fussböden der bewohnten Räume sind mit persischen Teppichen bezogen, in den Uebrigen schimmert das eingelegte 
Parket in schier gefährlicher Glätte. Ueberall vornehme Gewebe, deren Muster und Farben wie eine orientalische Musik zusammen 
tönen. Die Wände der sogenannten Versammlungs- und Wartesäle sind mit chinesischen und japanischen Seidenstoffen (Lampas) 
tapeziert. Diese stammen aus dem Anfänge des Jahrhunderts; das Farbengewühl ihrer phantastischen Pflanzen, die buntschillernden 
Flügel der Vögel und Käfer ergötzen das Auge. 
Die Flucht der Säle ist durch eine Scheidewand unterbrochen. Sie wird fallen und der ganze Palast dann vom südöstlichen 
bis zum nordwestlichen Ende mit einem Blick zu durchschauen sein. Am nordwestlichen Ende liegen die drei Gemächer, die
	        
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