Volltext: Ein Originalmensch

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flach autzen hin letzte er sich über allen Tadel und Spots 
hinweg und ging unbeeinflußt leine Wege. Und der Spott 
hat ihm wahrlich nicht gefehlt. Seine Frömmigkeit war 
innig und beharrlich. Schon in früher Stunde, wie bemerkt, 
begann er fein Gebetspenfum. Cr hatte einen Klaufurfchlülfet 
zur Klofterpforte, damit er jederzeit ins Oratorium gehen 
und besonders um in der frühe gleich bei den heiligen 
Mellen anwesend fein zu können. Alle Wochen beichtete 
er mit nachahmungsroerter Genauigkeit und Demut und 
ging wohl schon an zwanzig Jahre vor dem Dekrete Pius X. 
täglich zur heiligen Kommunion, wiewohl dies nach der 
ehemaligen Praxis der Redemptoristen nicht leicht, auch 
Laienbrüdern nicht, gestattet wurde. 
ln der Regel miniftrierte dann Dr. Riedlinger bei der 
zweiten messe auf dem Altare der JTlutter oon der immer¬ 
währenden Hilfe. Und da gab es zwilchen dem Doktorl und 
den miniltrantenknaben nicht feiten Streit, wenn nämlich 
die Schlingel im Spatz oder Crnft sich herausnahmen, dem 
Herrn Doktor das JTliniltrieren zu verwehren. Cr miniftrierte 
übrigens an jedem Altare und war zu jeder Zeit dazu 
bereit, wenn man ihn rief. Häufig genug geschah es, datz, 
wenn ein fremder Priester in ungewöhnlicher Stunde zum 
Zelebrieren kam und die miniltrantenknaben lieh bereits 
entfernt hatten und die Laienbrüder ihrer Arbeit nach¬ 
gegangen waren, Dr. Riedlinger gerufen wurde. Cr war 
darüber nie verdrossen, trotz der Winterkälte und der ärm¬ 
lichen leichten Kleidung, die er trug und des Alters, in 
dem er stand, sondern betrachtete lein Akolythenamt als 
etwas selbstverständliches, das ihm gebühre. In der Zwischen¬ 
zeit hatschte er im Winter und besonders in den letzten Jahren 
hinauf in das ungeheizte Kommunezimmer, fuchtelte dort 
mit den Armen in der suft herum und trippelte umher, 
um sich etwas zu erwärmen oder machte eine Blitzvifife 
bei einem kranken Pater oder Bruder oder stand beim 
Ofen in der Sakristei. 
€in Originalmenfch, 
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