Volltext: Von Dante zu d'Annunzio

Die Seele dieses Kongresses, delfen Ergebnis und Be{d)lül(e 
durch die nachfolgenden kriegerischen Ereignisse nicht wesentlich ver¬ 
ändert wurden, war der Rerzog von Calleyrand. Man kann nicht 
behaupten, das; dieser Diplomat eine einheitliche politische Karriere 
hinter sich hatte. 6r hatte vier verschiedene französische Kegiemngs- 
formen mitgemacht, und es war ihm gelungen, unter jeder von ihnen 
eine leitende Stellung einzunehmen. Er war Bischof unter den Bourbons, 
gesandter unter der Gironde, ßrofekämmerer unter Dapoleon und jetzt 
wiederum bourbonischer Minister des Nutzern unter dem zurückgekehrten 
Ludwig XVIII. Er hat später sogar noch den Übergang zum Bürger- 
königtum überdauert, ohne an Ansehen zu verlieren. Ein Mensch, der 
imstande war, zwischen ancien lêZime und guillotine, Bonapartismus 
und heiliger Allianz, Julirevolution und Legitimität immer in der 
Mitte durchzusegeln und dabei seine Rechnung zu finden, mutzte wohl 
über nicht gewöhnliche Fähigkeiten der Derstellungskunst, Elastizität 
und Menschenbehandlung verfügen. Und er hat mit diesen gaben 
auch aus dem (Diener Kongreß erreicht, was er gewollt hat, obgleich 
seine Stellung eine sehr prekäre war, denn anfangs wollte man 
einen französischen Bevollmächtigten überhaupt nicht zulassen und auch 
nachher behandelte man ihn mit größtem Mißtrauen, denn man hatte 
ihn im Derdacht, daß er gekommen sei, um unter den Mächten Un¬ 
frieden zu stiften und daraus seinen Dorteil zu schlagen. Dieser Der¬ 
dacht war mehr als gerechtfertigt, hat aber nicht im geringsten ver¬ 
hindert, daß Calleyrand seine Absichten vollkommen erreichte; er 
stiftete Unfrieden und fand seinen Uorteil. 
Es waren zwei Zwecke, die Calleyrand verfolgte und, wie die 
Dinge lagen, als französischer Dertreter auch verfolgen mußte. Er 
mußte versuchen, Frankreich ohne Einbuße an Territorium und Prestige 
aus dem Kongreß zu lotsen, und er mußte verhindern, daß Deutsch¬ 
land jene politische Machtstellung erreichte, zu der es infolge seiner 
geographischen Lage, seiner geschichtlichen Entwicklung und seiner 
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