704 Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
zs. °nd pym Willen der Mehrheitsparteien des Reichstages und damit wiederum
* von der Stimmung der breiten Masse des Volkes, die ohne entsprechende
Ausklärung und Einwirkung zum Frieden um jeden Preis bereit war.
Gleichzeitig hatte sich die politische und die militärische Lage im Süd-
osten weiter in bedrohlichster Weise verschlechtert: Am 24. Oktober war
der italienische Angriff gegen die österreichisch-ungarische Front in Ober¬
italien zwar anfangs auf erfolgreiche Abwehr gestoßen, aber die ungarischen
Truppen weigerten sich, weiter für Osterreich zu kämpfen^); das ver¬
bündete Heer begann sich aufzulösen. Am 26. Oktober teilte Kaiser Karl
dem Deutschen Kaiser seinen „unabänderlichen Entschluß" mit, innerhalb
von 24 Stunden Separatfrieden und sofortigen Waffenstillstand zu erbitten.
Vergebens bemühte sich Kaiser Wilhelm, das zu verhindern.
Diese Entwicklung bedeutete eine so gefährliche Schwächung Deutsch-
lands, daß die Reichsregierung in der an demselben Tage hinausgehenden
Antwort auf die dritte Wilson-Note alles vermied, was zum Abbruch
der Verhandlungen führen konnte. So wurde der Satz des Entwurfs:
Die deutsche Regierung erwarte „Vorschläge für einen Waffenstillstand,
nicht das Ansinnen einer Waffenstreckung", durch die jedem Verzicht gleich-
kommenden Worte ersetzt: „Die deutsche Regierung sieht nunmehr den
Vorschlägen für einen Waffenstillstand entgegen". Neu aufgenommen
wurde der Hinweis, daß der Reichsregierung auch „die militärischen Ge-
walten" unterstellt seien. Im übrigen enthielt die Note die erneute Ver-
sicherung, daß die Friedensverhandlungen von einer Volksvertretung
geführt würden, „in deren Händen die entscheidenden Machtbefugnisse
tatsächlich und verfassungsmäßig ruhen".
Zur Auskunfterteilung über die Lage an der Westfront waren die
Generale von Gallwitz und von Mudra nach Berlin gerufen worden.
Sie wurden am 27. Oktober nachmittags vom Kaiser empfangen, dem sie
berichteten: Der Kern der Truppen sei noch gut, sozialdemokratische Ein-
slüsse wirkten aber, vor allem auf den Ersatz, ungünstig ein. Die Regimenter
verrichteten noch immer Wunder der Tapferkeit und Ausdauer, wir müßten
aber dennoch in die Antwerpen/Maas-Stellung zurückgehen, um unsere
Linien zu verkürzen und den Truppen die dringend erforderliche Ruhe zu
W. Oktober, verschaffen. Am folgenden Tage beantworteten die Generale dem Kabinett
eine Reihe an sie gerichteter Fragen in ähnlichem Sinne, wobei General
von Mudra den Ausführungen des vor ihm zu Worte kommenden Generals
von Gallwitz zustimmte. Dieser wies unter anderem auf die Hetzereien
der Presse hin, die die Disziplin geschädigt und Kriegsmüdigkeit sowie
„Drückebergerei" gefördert habe; dazu sei die ungünstige Einwirkung der
x) Näheres S. 739,