Abwehrschlacht bei SoHsons/Reims. Betrachtungen.
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waren. Wohl aber wäre vermieden worden, daß die herangeführten Divi¬
sionen durch Transport auf Lastkraftwagen derart zerrissen wurden, daß sie
ohne eigene oder überhaupt ohne Artillerie, ohne Gefechtssahrzeuge, ja sogar
ohne Offizierpferde und dadurch mit entscheidend verringerter Leistungs¬
fähigkeit in den Kampf geworfen wurden. Frische Kräfte früher bereit-
zustellen, wäre jedoch nur aus Kosten des Hagen-Angriffs und damit der
Gesamtplanung der Obersten Heeresleitung möglich gewesen, und — wenn
diese sich entschloß, sie frei zu machen — dann fragte es sich immer noch,
ob sie nicht besser zum Gegenangriff von Norden über die Aisne bei Soissons
— wie es Generalfeldmarschall von Hindenburg später anregte — bereit¬
gestellt wurden als hinter der bedrohten Front, wo sie lediglich zu fron-
talem Eingreifen, aber nicht zu entscheidender Wirkung gebracht werden
konnten.
Die weiteren Abwehrkämpfe und die Rückzugsbewegungen sind von
der Führung sachgemäß geleitet und von den Truppen geschickt durchgeführt
worden. Die hohen Verluste des Angreifers legen dafür wie für die
Hartnäckigkeit des schließlich geleisteten Widerstandes beredtes Zeugnis ab.
Ohne ihn wäre ordnungsmäßige Rückführung der im Bogen an der Marne
für den Angriff angehäuft gewesenen Truppen, ihrer rückwärtigen Ein-
richtungen nebst Gerät und Vorräten aller Art nicht möglich gewesen.
Andererseits hätte bei früherem Entschluß zum Ausweichen an frischen
Divisionen zweifellos gespart werden können.
General Ludendorfs hat sich nur ganz allmählich zu jenem Entschluß
durchzuringen vermocht; denn dieser bedeutete die sichtbare Preisgabe
aller bisherigen Hoffnungen und Zusicherungen und konnte lediglich aus
der schwierigen örtlichen Lage herausführen, ohne damit — wie etwa
im Weichsel-Bogen 1914 oder beim Siegfried-Rückzug 1917 — einen Weg
zu aussichtsreicher Lösung der Gesamtaufgabe zu öffnen. So wird man
das Streben nicht verurteilen dürfen, den Rückzug angesichts seiner weit-
reichenden, auch politischen Wirkungen zu vermeiden, solange das nur
irgendwie möglich war.