Marneschutz/Reims-Angriff. Betrachtungen.
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vorwärts bereitgestellte Batterien verschärft fortzusetzen, während andere
besonders weittragende dazu sogleich vorzuziehen seien. Verlängerung der
Meßsysteme nach vorn, Einsatz von Ballonen dicht hinter der vorderen
Linie und zahlreiche Tiefflieger sollten die Feuerleitung sicherstellen. „Die
unteren Führer nehmen dann selbständig die Artillerie-Bekämpfung mit
Gas und Brisanz auf. Es ist zu hoffen, daß bis zu einer Tiefe von sieben
bis zehn Kilometern die feindliche Artillerie auf diese Weise mit verhältnis¬
mäßig geringen Mitteln im wesentlichen wenigstens so weit niedergehalten
werden kann, daß sie dem Vordringen der Infanterie und insbesondere
dem Folgen der Begleitwaffen keine entscheidenden Hindernisse bereitet".
Ob die Oberste Heeresleitung zur Wirksamkeit dieses doch recht schwierigen
Verfahrens wirklich volles Vertrauen hatte, kann nach der gewundenen
Sprache der Weisung zweifelhaft erscheinen. Zur Erprobung ist es nicht
mehr gekommen. Daß es ausgereicht hätte, den feindlichen Widerstand so
rasch zu überwinden, daß Erfolge ähnlich den früheren erzielt werden
konnten, ist kaum wahrscheinlich. General Ludendorff hat in der nächsten
Zeit viel Ferngespräche mit Generalstabschefs, besonders mit General
von Kühl, über ein neues Angriffsversahren geführt, ohne daß ein be¬
friedigendes gesunden wurde. Ein einigermaßen zuverlässiges Mittel, eine
zunächst außerhalb eigener starker Artilleriewirkung liegende feindliche
Stellung mit der erforderlichen Schnelligkeit zu durchstoßen, gab es eben
nicht, wenn man nicht wie der Gegner in der Lage war, Kampfwagen in
großer Zahl einzusetzen. Ihr Fehlen machte sich nachgerade ernstlich fühlbar.
Sieht man von dem Nichterkennen der Ausweichbewegung ab, so
lagen doch bei den Armeen genügend Meldungen vor, aus denen sich ergab,
daß der Gegner sich zum mindesten vor der Front der 3.Armee, aber auch
vor der 7. und I., in ganz anderer Weise als bei den bisherigen deutschen
Angriffen, vor allem dem am Ehemin des Dames, zur Abwehr eines Gro߬
angriffs vorbereitete und diese Vorbereitungen in der letzten Woche vor
dem 15.Juli steigerte, daß er also doch wohl etwas gemerkt haben mußte.
Die Meldungen sind über die Heeresgruppe zur Obersten Heeresleitung
gelangt, so daß sich beide Stellen ihr eigenes Urteil bilden konnten. Beide
haben sich aber der optimistischen Auslegung angeschlossen, die Oberst¬
leutnant von Klewitz seinem Oberbefehlshaber gegenüber vertreten hatte;
denn nach dem Stande der Angriffsvorbereitungen gab es kein Zurück
mehr, es sei denn, daß die Oberste Heeresleitung ihre operative Gesamt-
Planung aufgeben wollte. Mit der Preisgabe des Marneschutz/Reims-
Angriffs fiel auch der Hägen-Angriff, da er zur Zeit auf Überraschung
nicht rechnen konnte und, solange die feindlichen Reserven nicht in ge¬
nügender Zahl aus Flandern fortgezogen waren, ohnehin keinen durch-