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Der Wendepunkt der Kriegslage.
15. bis wandt, wie sie der Einrichtung des deutschen Vorfeldes zugrunde lag. Daß
i7. g«li. j,cn Franzosen solcher Gedanke nicht ganz fremd war, wußte man. Bereits
im Februar war in einer Abersicht über die Grundsätze des französischen
Verteidigungsversahrens gesagt Wörden: „Gelegentlich ist die Ansicht aus-
getaucht, die erste Stellungszone nur ganz schwach zu besetzen und den
Hauptwiderstand in die zweite Stellung zu legen". Bisher hatte der Gegner
solches Verfahren — soweit deutscherseits erkannt — vielleicht am 9. Juni
bei Noyon an einzelnen Stellen angewandt, sonst niemals. Immerhin
wurde für den Angriff des 15. Juli mit stärkerer Tiefengliederung, vor
allem der feindlichen Artillerie, gerechnet. Das Ausweichen konnte aller-
dings auch kaum erkannt werden, da die Patrouillentätigkeit, um nicht
Gefangene zu verlieren und durch deren Aussagen vielleicht den Vorteil
der Überraschung einzubüßen, so gut wie ganz eingestellt war. Ob diese
Maßnahme, nachdem der Gegner seinerseits durch gewaltsame Erkundungen
bereits Gefangene gemacht hatte und auch deutsche Soldaten übergelaufen
waren, noch Berechtigung hatte, erscheint zweifelhaft; man hielt sich selbst
die Augen verbunden. Aber selbst wenn man das Ausweichen des Gegners
erkannt hätte, hätte man sich vor derselben, mit den verfügbaren Angriffs¬
mitteln fast unlösbaren Ausgabe gesehen, vor die man in der letzten Zeit
der deutschen Abwehrkämpfe den Gegner gestellt hatte: Die vorgehende
Infanterie stieß ins Leere, wurde von der nicht wesentlich geschwächten
feindlichen Artillerie gefaßt und traf bereits angeschlagen vor der feindlichen
Hauptstellung ein, deren Besatzung von der Artillerie bei weitem nicht
ausreichend gefaßt worden war.
Der Gegner hatte das Ausweichversahren allerdings nur anwenden
können, weil er über den deutschen Angriff offenbar frühzeitig genau
unterrichtet gewesen war. Die Oberste Heeresleitung sah den Hauptgrund
für das Steckenbleiben des Angriffs daher mit Recht in der diesmal völlig
ausgebliebenen Überraschung des Gegners. Sie sagte in einer Verfügung
vom l8. Juli: Er wußte „unsere Absichten, und es gelang ihm infolge-
dessen, sie bis zu einem gewissen Grade zu durchkreuzen. Wenn wir wieder
zu vollem Erfolg kommen wollen, müssen wir lernen, schneller zu arbeiten.
Der Ausmarsch der Artillerie und die Vorbereitungen zum Schießen müssen
in kürzester Frist durchgeführt sein". In einer weiteren Anweisung vom
22. Juli hieß es: Lange Vorbereitung durch Artilleriefeuer (am 15. Juli
einschließlich Feuerwalze über neun Stunden) gibt dem Feinde Zeit,
während die rückwärts stehende Artillerie von unserer Artillerie doch nicht
erreicht wird. Die Feuervorbereitung sollte daher abgekürzt werden:
„Unter Umständen wird man gleichzeitig mit dem Beginn der Feuervor-
bereitung antreten". Danach sei die Artillerie-Bekämpfung durch weit