Der Entschluß zum Angriff im Westen.
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Gunst der Verhältnisse zu einem großen Schlage im Westen ausnutzen
oder sollte sie sich, ohne diesen Versuch zu machen, planmäßig auf die
Verteidigung beschränken und nur Nebenangriffe, etwa in Italien oder
Mazedonien, ausführen? ... Die Lage bei unseren Bundesgenossen und
bei uns sowie die Verhältnisse des Heeres erheischten einen Angriff, der
eine baldige Entscheidung brachte". Nur dadurch konnte der Gefahr vor-
gebeugt werden, daß die im Frühjahr 1918 bestehende Überlegenheit an
Kräften durch das Eintreffen amerikanischer Divisionen verlorenging.
„Nur die Hoffnung auf baldigen deutschen Sieg hielt den Vierbund zu
sammen"^); denn sowohl Österreich-Ungarn wie Bulgarien und die Türkei
befanden sich am Ende ihrer Leistungsfähigkeit.
Auch die politische Leitung des Reiches konnte sich der Notwendig-
keit, die Waffenentscheidung zu suchen, nicht mehr verschließen, und ebenso
sah die große Mehrheit des Volkes keine andere Möglichkeit mehr, ver¬
langte sogar teilweise dringend den Angriff, von dem sie den Sieg und
das Ende des Krieges erhoffte. So konnten Generalfeldmarschall von
Hindenburg und General Ludendorff bei ihrem Entschluß zur Offen-
sive damit rechnen, das deutsche Volk bis weit in die Reihen der Sozial-
demokratie hinein hinter sich zu haben. Es bestand bei ihnen auch kein
Zweifel, daß das Heer der großen Aufgabe, vor die es gestellt werden
sollte, noch durchaus gewachsen sei. Wohl hatten ihm dreieinhalb Kriegs-
jähre ihren Stempel aufgedrückt, auch waren im einzelnen manche Ver-
fallsanzeichen wahrzunehmen, im ganzen aber stand das Heer fest und
unerschüttert unter der Führung seines willensstarken, noch immer hervor-
ragenden Offizierkorps. Es hatte sich in den letzten Monaten, sowohl in
Italien wie bei Eambrai, im Angriff voll bewährt, schien aber des ergebnis-
losen Ringens im Stellungs- und Abwehrkampf müde; es hatte den heißen
Wunsch, die Kriegsentscheidung herbeizuführen und daher anzugreifen.
Aber die gewaltigen Schwierigkeiten einer Offensive im Westen
herrschte bei allen Beteiligten volle Klarheit. So führte Generalfeldmar-
schall von Hindenburg in einem Schreiben an den Kaiser am 7. Januar
1918 aus: „Um uns die politische und wirtschaftliche Weltstellung zu sichern,
deren wir bedürfen, müssen wir die West mächte schlagen. Dazu haben
Euere Majestät die Angriffsschlacht im Westen befohlen. Es bedeutet dies
die allergrößte Anstrengung, die wir im ganzen Kriege gemacht haben;
die allerschwersten Opfer werden gefordert werden." In ähnlichem Sinne
sagte General Ludendorfs gelegentlich des Kronvortrages in Schloß
Homburg am 13. Februar 1918, als es sich um Abbruch des Waffenstill¬
standes mit Rußland handelte: „Der Kampf im Westen, den das Jahr 1918
*) Erich Ludendorff, „Kriegführung und Politik", S. 208.