Volltext: Lemberg 1914

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Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe. 
In einem Kriegsfalle lediglich zwischen Österreich-Ungarn und Ru߬ 
land wäre dem südlichen Bewegungsraume stets eine große Bedeutung zu¬ 
gekommen. Es zeigte sich dies sowohl gelegentlich mehrfacher politischer 
Spannungen im letzten Jahrhundert als auch bei der am Kriegsbeginn in 
Rußland erfolgten Teilmobilisierung. 
Aber die allseitige politische und militärische Entwicklung des letzten 
halben Jahrhunderts hatte Österreich-Ungarn mit dem Deutschen Reich in 
engste Verbindung gebracht. Damit war der Krieg gegen Rußland von selbst 
mit seiner Schwergewichtslinie an den nördlichen Bewegungsraum gewiesen. 
Abgesehen davon, daß Deutschland der stärkere Teil war, konnte auch ein 
Zusammenwirken österreichisch-ungarischer und deutscher Truppen nur im 
nördlichen Bewegungsraume rasch und einfach erreicht werden. 
Die rasche Kriegsversammlung großer Heere erfordert viele Vorberei¬ 
tungen, besonders den Bau von Eisenbahnen. Zumeist reichen die notwendi¬ 
gen Maßnahmen auf Jahrzehnte zurück und können niemals ganz geheim¬ 
gehalten werden. Dies gibt allen Staaten immer wieder Gelegenheit, sich 
ein Urteil über fremde Kriegspläne zu bilden. So entwickeln sich in Wechsel¬ 
wirkung zwischen Beobachtung des Feindes und eigenen Erwägungen die 
Absichten, die für den Kriegsbeginn entscheidend werden. 
Auf allen Seiten besteht der Wunsch, den Ausgangspunkt der Bewegun¬ 
gen so nahe als möglich am Feinde zu finden. Maßgebend hiefür sind vor 
allem die Auffassungen über die Leitlinien, auf denen Schlachten gesucht 
werden müssen, und, im Zusammenhange damit, der Verlauf der Staaten¬ 
grenzen, weil nur im eigenen geschützten Bereiche Vorbereitungen getroffen 
werden können. 
Seitdem durch die Verbindung unserer Monarchie mit dem Deutschen 
Reiche die Schwerlinie im nördlichen Räume gegeben war, bewegten sich 
auch die Kriegsvorbereitungen auf allen Seiten in einer dadurch bestimmten 
Art. Der Grenzverlauf Galiziens und Ostpreußens ermöglichte es beiden 
Verbündeten, schon bei der Versammlung ihrer Heere verhältnismäßig nahe 
an die große Leitlinie heranzukommen und zangenförmig gegen diese vor¬ 
zugehen. Daraus ergab sich für unsere Hauptkräfte eine Stoßrichtung östlich 
der Weichsel, Richtung Nord oder Nordost. 
Auch die Russen hätten den Wunsch gehabt, ihre Versammlung weit 
nach vorwärts zu verlegen. Aber die Gefahr, aus Galizien und Ostpreußen 
gleichzeitig und umfassend angegriffen zu werden, veranlaßte sie, die Bereit¬ 
stellung ihrer Kräfte weiter rückwärts, im Räume Warschau—Brest Litówsk, 
durchzuführen. 
So wurde der Krieg schon durch die Vorbereitungen entscheidend be¬ 
einflußt. Leider brachte uns der Kriegsbeginn ungünstigere Verhältnisse als 
jemals gedacht. Die Deutschen mußten ihre überwiegenden Kräfte nach Westen 
führen, und für Ostpreußen blieben nur wenige Divisionen. Die Russen 
wußten, daß am Kriegsbeginne nicht mehr die Deutschen ihre stärkeren
	        
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