Volltext: Lemberg 1914

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Die Grundprobleme des Krieges. 
Schon dieser rasche und glatte Ablauf der Operationen mit dem An¬ 
scheine beinahe vollständiger Friktionslosigkeit hatte den Eindruck erweckt, 
als ob der Erfolg beinahe lediglich einem vorbedachten Willen zuzuschreiben 
gewesen wäre. Besonders aber erregten die zeitweiligen Umfassungen und 
Umgehungen mit ihren verblüffenden Resultaten die Aufmerksamkeit der 
Welt. Die Verschiedenartigkeit im äußeren Verlaufe der Feldzüge lenkte 
zu sehr die Aufmerksamkeit auf Probleme der Strategie und verdunkelte die 
einfachen, beinahe primitiven Grundgedanken des Kaisers über Art und 
Weise, auf Schlachten und Stoß loszugehen. 
Die Raschheit in der Offensive Napoleons hatte auf seine Gegner immer 
wieder verwirrend gewirkt und zeitweise eine Rat- und Hilflosigkeit her¬ 
vorgerufen, die dann schon den Keim der Niederlage in sich trug. So sind 
aus den Napoleonischen Kriegen die großen Lehrsätze unserer Zeit, das 
Streben nach Raschheit in der Offensive, der Gedanke, dem Feind im Handeln 
zuvorzukommen, die Initiative an sich zu reißen, und wie sie sonst geheißen 
haben mögen, entstanden. Langsam sind sie bis zur Allgemeingültigkeit 
emporgewachsen und haben den Krieg von der Grundidee, die in ihm leben 
muß, abgezogen. 
Der Gedanke an Offensive war gewiß nicht neu. Er hatte immer be¬ 
standen, weil ja die großen positiven Ziele des Krieges anders als durch 
aktives Flandeln nicht zu erreichen sind. Wenn man früher zeitweilig vor¬ 
gezogen hatte, den Kampf in Verteidigungsstellungen abzuwarten, so war 
dies zumeist unter der Voraussetzung geschehen, daß der Zwang des Krieges 
den Feind zum Angriffe bringen würde. 
Bei den großen Operationsräumen, die jetzt in Frage kamen, konnte 
man niemals wissen, wo sich der Feind befand und wie er seine Kräfte ver¬ 
teilt hatte. Der Überraschung war ein viel größeres Feld eröffnet. Unter 
so unsicheren Verhältnissen entsteht ein großer Vorteil für denjenigen, der 
einem bestimmten Ziele nachgeht, weil örtliche Erfolge, die man dabei ge¬ 
winnt, häufig in ihrer Wirkung über den Kampfplatz hinausreichen, die 
feindliche Führung beeinträchtigen und, wie zahlreiche Beispiele zeigen, sogar 
lähmen können. 
Gerade die Unsicherheit, die der Kaiser immer wieder in der feind¬ 
lichen Führung hervorrief, wurde ihm zu einem entscheidenden Hilfsmittel, 
und dies ließ den Gedanken an Initiative immer mehr mit dem Begriff der 
Offensive verschmelzen, als ob es niemals einen König Friedrich und eine 
initiativ geführte, groß angelegte defensive Kriegführung gegeben hätte. 
Allerdings hatte sich in der Schlachtenführung vieles geändert, und hier 
zeigte sich jetzt der Angriff eindeutig überlegen. 
Die Widerstandskraft der geschlossenen Kampffronten war wohl un¬ 
verändert geblieben. Wenn aber früher schon verhältnismäßig geringfügige 
Hindernisse die Flügel geschützt hatten, so war dies jetzt infolge der be¬ 
weglichen Gliederung nicht mehr der Fall. Stellungen, die früher nur frontal 
hätten angegriffen werden können, konnten jetzt ganz leicht umfaßt werden.
	        
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