Volltext: Lemberg 1914

Der Rück 
II9 
Meinung findet sich merkwürdigerweise auch in den russischen Darstellungen 
wieder. Auch in der Öffentlichkeit hat sich diese Meinung leider nur allzu 
sehr festgesetzt, und- dies ist hauptsächlich durch den bis nach Westgalizien 
erfolgten Rückzug veranlaßt worden. Wohl war durch die Lage die Ver¬ 
einigung unserer getrennten Heereskräfte hinter dem San notwendig ge¬ 
worden, der Rückzug an den Dunajec aber war lediglich durch den Wunsch 
diktiert, die Vereinigung mit den deutschen Kräften rasch herbeizuführen. 
Schon die Darstellung der Kämpfe dürfte ausreichend gezeigt haben, 
daß auch nicht ein einziger unserer Heeresteile vernichtend geschlagen wor¬ 
den war. Es haben in der zweiten Schlacht unsererseits ca. 420 Baone. mit 
ca. 1400 Geschützen gegen ca. 430 r. Baone. mit ca. 1600 Geschützen ge¬ 
kämpft, wobei der Unterschied in den Geschützzahlen durch die später dar¬ 
gestellten Methoden der Verwendung sich sehr bedeutend zugunsten des 
Feindes geltend machte (vgl. auch D., S. 252). Die beiderseitige Kräfte¬ 
verteilung in der Schlachtfront war sehr verschieden. In der Mitte war das 
Verhältnis beiderseits ca. 1:1, am südlichen Flügel kämpften unsere Trup¬ 
pen im Verhältnisse ca. 2:1, am nördlichen Flügel hingegen 1:2. Während 
aber der Feind schon infolge der Gunst der Anfangskriegslage imstande war, 
unseren Nordflügel zu umfassen, beinahe im Rücken zu nehmen, war an 
unserem Südflügel wegen des Dnjestr eine Umfassung unsererseits unmöglich. 
Erfolge sind dem Feinde nur zugefallen, wo ihm die Umfassung unserer 
Truppen möglich wurde. Während es unseren Truppen trotz der viel ge¬ 
ringeren und viel weniger wirkungsvollen Artillerievorbereitung an vielen 
Stellen gelang, den Feind im frontalen Anstürme zu werfen, ist dies den 
Russen auch nicht an einem einzigen Punkte der Kampffront gelungen. Man 
sollte meinen, daß schon diese Tatsache allein genügen könnte, um die da¬ 
malige ungeheure Kampfkraft unserer Truppen vollständig klarzulegen. Es 
berührt eigentümlich, wenn man trotzdem im Zusammenhange mit diesen 
Schlachten absprechende Urteile über unsere Truppen hört. 
Noch wesentlich ungünstiger für uns stellte sich das Kräfteverhältnis 
auf dem ganzen Kriegsschauplatze. Es standen unsererseits ca. 680 Baone. 
mit ca. 2250 Geschützen (ein großer Teil der in C. IV., Anlage 21, ange¬ 
führten Marschbrigaden war zu diesem Zeitpunkte schon aufgelöst, einige 
Landsturmbrigaden nicht mehr verwendet, andere westlich der Weichsel und 
südlich des Dnjestr; 39 Baone. des preußischen Landwehrkorps sind einge¬ 
rechnet) gegen ca. 820 r. Baone. mit ca. 3000 Geschützen. Es hat also auf 
Feindesseite ein Übergewicht von ca. 140 Baonen. und 750 Geschützen be¬ 
standen, wobei der Mangel an Zusammenhang in unserer Heeresfront dem 
Feinde die Möglichkeit eines Durchstoßes eröffnete. 
In den Reihen unseres Heeres haben über 100 Landsturmbaone. mit¬ 
gekämpft, also vollkommene Neuformationen, und bei diesen haben tat¬ 
sächlich im Laufe des Rückzuges, und zwar in der Gegend an der Weichsel, 
gewisse Auflösungserscheinungen Platz gegriffen. Vielleicht haben dann auch 
noch die Trainverluste bei der 4. Armee beim Feinde den Eindruck geweckt, 
als ob unser Heer eine schwere Niederlage erlitten hätte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.