Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (10, Die Neueste Geschichte / 1929)

§ 32. Argentinien, Kanada und Südafrika 
Bevölkerung assimilieren lassen und bezeichneten sich bei den amt 
lichen Volkszählungen nicht als Angehörige der jüdischen Nation, 
sondern nur als „Bekenner der jüdischen Religion“. Eine „jüdische 
Nationalität“ tauchte in Kanada erst in der Zeit der großen Aus 
wanderung aus Osteuropa auf. Seit dieser Zeit wandte sich nämlich 
ein Teil der den Vereinigten Staaten von Nordamerika zustrebenden 
Einwanderermassen, sei es infolge der dort herrschenden Arbeits 
losigkeit oder der Verschärfung der behördlichen Kontrollmaßnah- 
men (wie sie z. B. zwecks Eindämmung der Einwanderung in den 
Jahren 1891—1892 verfügt wurden), nach dem angrenzenden briti 
schen Dominion. Die in Montreal, Toronto und Winnipeg ihr Glück 
versuchenden Emigranten aus Osteuropa befaßten sich in der Regel, 
ebenso wie die Mehrzahl ihrer Landsleute in der Neuen Welt über 
haupt, mit Kleinhandel und Handwerk, insbesondere mit Pedlarei und 
Schneiderei; vereinzelte Einwanderergruppen wandten sich aber auch 
der Landwirtschaft zu und fanden auf den in der Nähe der Städte 
gelegenen Farmen Verwendung oder gründeten eigene Ackerbaukolo 
nien (so im Jahre 1891 die Kolonie „Hirsch“). Gegen Ende des 
XIX. Jahrhunderts erhöhte sich die Zahl der jüdischen Einwohner 
Kanadas auf nahezu 16000 Seelen. Ein Teil der autochthonen Be 
völkerung, namentlich manche Kreise der katholischen Frankokana 
dier in der Provinz Quebec, glaubten indessen gegen die „Überfrem 
dung“ des Landes ankämpfen zu müssen, und so entfalteten die Jour 
nalisten von Montreal während des Dreyfus-Prozesses unter dem Ein 
fluß ihrer klerikalen Pariser Berufsgenossen eine heftige judenfeind 
liche Agitation. Gleichwohl nahm die Zahl der jüdischen Einwanderer 
immer mehr zu. In kultureller Hinsicht bildete die neue Judenheit 
Kanadas gleichsam einen Ausläufer des ostjüdischen Massivs in den 
Vereinigten Staaten, eine Kolonie der Metropole New York, die die 
kanadischen Juden, solange diese noch keine eigene jiddische Presse 
besaßen, mit Tageszeitungen versorgte und aus der auch jüdische 
Schauspielertruppen zu Gastspielen ins Land kamen. Die Tatsache, 
daß sich in Kanada zwei Nationalitäten, die englische und die fran 
zösische, in die Herrschaft teilten, machte die Assimilation für die 
jüdischen Neuankömmlinge doppelt schwierig, weshalb es ihnen 
nur als ein Gebot des gesunden Menschenverstandes erschien, dem 
eigenen Wesen die Treue zu halten. Die Einwanderer der neue 
ren Jahrgänge zögerten denn auch nicht, sich bei den amtlichen 
20 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. X 
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