Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (10, Die Neueste Geschichte / 1929)

§ 24. Die Dreyfus-Affäre 
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nister, die Generalität und das Kriegsgericht „des größten Verbre 
chens wider die Menschlichkeit“ beschuldigte, dessen Opfer der Dul 
der auf der Teufelsinsel sei. „Ich klage das erste Kriegsgericht — 
so schrieb Zola — der Verletzung des Gesetzes an, der Verurteilung 
eines Angeklagten auf Grund eines diesem (Dreyfus) verheimlichten 
Dokuments. Ich klage auch das zweite Kriegsgericht an, weil es diese 
Gesetzesübertretung gedeckt und seinerseits in verbrecherischerWeise 
einen offenkundigen Verbrecher (Esterhazy) freigesprochen hat“. Der 
geharnischte Protest Zolas machte überall im Lande tiefsten Eindruck. 
Hatte er doch das ganze Kriegsressort, den Abgott des militaristischen 
Frankreich, auf die Anklagebank verwiesen. Es erhob sich ein Zeter 
geschrei über die dem Heere zugefügte Beleidigung, worauf Zola von 
einem Schöffengericht zu einjähriger Gefängnisstrafe sowie zu einer 
Geldbuße verurteilt wurde; das Kassationsgericht bestätigte das er 
gangene Urteil, das ja formell unanfechtbar war: der temperament 
volle Schriftsteller hatte hohe Staatsbeamte der Dokumentenfälschung 
geziehen, ohne in der Lage zu sein, den Wahrheitsbeweis anzutreten, 
da die in Frage kommenden Schriftstücke sich in den Händen der Be 
zichtigten selbst befanden und als militärische Geheimdokumente nicht 
veröffentlicht werden durften. Nach der Bestätigung des gegen ihn 
verhängten Urteils zog sich Zola nach England zurück, um den Fein 
den der Gerechtigkeit keinen neuen Anlaß zur Schadenfreude zu ge 
ben und fern von Paris die Erfüllung seiner Prophezeiung abzuwar 
ten: „Die Wahrheit ist auf dem Marsche und nichts kann sie auf 
halten!“ 
Der Kampf um die sich Bahn brechende Wahrheit lastete fortan 
mit seiner ganzen Schwere auf dem Obersten Picquart. Ungeachtet 
dessen, daß dieser durch seine ersten Versuche, die patriotischen Fäl 
schungen ans Licht zu bringen, bei seinen Vorgesetzten stärksten Un 
willen erregt hatte, setzte er das in Angriff genommene Werk unbe 
kümmert fort. In einem offenen Schreiben an den Premierminister 
Brisson erbot er sich, den Beweis zu erbringen, daß das den „jüdi 
schen Spion“ erwähnende Geheimdokument im Generalstab selbst her- 
gestellt worden sei, und daß auch der von „der Canaille D.“ han 
delnde Zettel nicht Dreyfus, sondern eine andere Person betreffe. Der 
Wahrheitsverfechter Picquart fand indessen im Kriegsministerium 
kein Gehör und wurde ohne viel Umstände ins Gefängnis gebracht... 
Bald kam es indessen zu einem Zwischenfall, der die Stellung der
	        
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