Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Einleitung 
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nur halb soviel verausgabte wie der christliche, war er imstande, seine 
Ware zu einem billigeren Preise zu verkaufen. Die Neigung der Juden 
zu gewagten Unternehmungen brachte es jedoch mit sich, daß sie 
viel häufiger als die christlichen Kaufleute Bankrott machten, so daß 
das von einem Juden erworbene Vermögen nur selten mehrere Gene 
rationen hindurch in derselben Familie blieb. Stark ins Gewicht fiel 
auch die Beteiligung der Juden am Handwerk: mit Ausnahme von 
Großpolen bildeten sie überall die Hälfte aller Handwerker, wobei sie 
sich vornehmlich als Schuster, Schneider, Kürschner, Goldschmiede, 
Zimmerer, Steinmetze und Barbiere betätigten. Hingegen gab es im 
ganzen Lande nur vierzehn jüdische Familien, die sich mit Ackerbau 
beschäftigten. Der zwölfte Teil der gesamten jüdischen Bevölkerung 
konnte keinen bestimmten Beruf angeben und wurde unter der Bubrik 
„Müßiggänger“ zusammengefaßt; ein Sechzigstel setzte sich aus be 
rufsmäßigen Bettlern zusammen. 
Diese auf amtlichen Ermittlungen und persönlicher Beobachtung 
beruhenden Feststellungen sind noch dahin zu ergänzen, daß eine der 
Hauptbeschäftigungen der polnischen Juden um jene Zeit das Schank- 
gewerbe, der Betrieb von Schankwirtschaften bildete, namentlich auf 
dem flachen Lande, wo damals nicht weniger als ein Drittel der ge 
samten jüdischen Bevölkerung Polens ansässig war. In verschiedenen 
Zweigen der gutsherrlichen Landwirtschaft als Pächter tätig, mußte 
der Jude neben Mühlen, Meiereien, Obstgärten, Weideplätzen, Wal 
dungen u. dgl. auch die dem Gutsherrn zustehende ,,Propination“ 
mit in Pacht nehmen, d. h. das Recht, Branntwein zu brennen und 
den Schnaps in Dorfschenken, Wirtshäusern und Gasthöfen auszu 
schenken. Dadurch geriet der Jude gar oft in Konflikt mit dem 
Bauersmann, dem leibeigenen „Knecht“, der dem bitteren Tropfen 
nicht etwa darum zusprach, weil es ihm zu gut ging, sondern weil er 
in der Schenke sein grenzenloses Elend und die Bitternis des Fron 
dienstes zu vergessen suchte. Da er nun aber gerade mit seinem letz 
ten Groschen die Zeche bezahlte, schien es ihm, daß es der jüdische 
Schankwirt sei, der ihn an den Bettelstab bringe. Diese Beschuldigung 
gegen die Juden ließen namentlich die um die Aufrechterhaltung der 
Leibeigenschaft besorgten Gutsherren laut werden, die die eigentli 
chen Ausbeuter ihrer bäuerlichen Sklaven waren und zugleich aus der 
den Juden in Pacht gegebenen ,,Propination“ den Hauptvorteil zo 
gen. Allerdings wirkte das Schankgewerbe auch korrumpierend auf
	        
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