Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

§ 47. Die Folgen des Gesetzes von 180U 
Ausweisung wurden den Gouverneuren Sonderausschüsse zur Seite 
gestellt, denen es unter anderem oblag, die Kahale zu veranlassen, 
den von Staats wegen Ruinierten materielle Hilfe zu leisten. 
Für die jüdischen Dorfbewohner begann eine Zeit des Schreckens. 
„Die, die nicht freiwillig gehen wollten, wurden mit Gewalt verjagt; 
nicht wenige wurden unter Bewachung von Bauern und Soldaten er 
barmungslos hinausbefördert. Gleich Viehherden wurden sie in die 
Flecken und Städte getrieben, wo man sie auf den Plätzen unter 
freiem Himmel stehen ließ“. Besonders grausam ging man im Gou 
vernement Witebsk vor. Viele von den Ausgewiesenen suchten bei den 
Behörden um Ansiedlung in den landwirtschaftlichen Kolonien Neu 
rußlands nach, wo sich bereits mehrere hundert jüdische Familien 
eingerichtet hatten (unten, § 4g); der Vorrat an urbarem Land 
und die von der Regierung für die Neuansiedlung bereitgestellten 
Mittel waren indessen erschöpft, so daß neue Gesuche abschlägig be- 
schieden wurden. Das Elend der jüdischen Bevölkerung verschärfte 
sich dermaßen, daß die Gouverneure sich genötigt sahen, in ihren 
nach Petersburg gesandten Berichten die verheerenden Folgen des 
Ausweisungsbefehls nachdrücklichst zu betonen. So erging denn Ende 
Dezember 1808 ein neuer Ukas, der die Ausweisung bis auf weiteres 
suspendierte. Anfang Januar 1809 wurde in Petersburg wieder ein 
mal ein Komitee (bereits das dritte) eingesetzt, das den Auftrag er 
hielt, in gründlichster Weise die Frage zu prüfen, mit welchen Mit 
teln die Juden aus dem von ihnen auf dem Lande betriebenen Schank 
gewerbe entfernt und für nützlichere Arbeit gewonnen werden könn 
ten. In der dem Komitee erteilten kaiserlichen Instruktion wurde rück 
haltlos anerkannt, daß die Übersiedlung der Juden aus den Dörfern 
undurchführbar sei, da sie „infolge ihrer Armut keine Möglichkeit 
haben, sich nach Verlassen ihrer jetzigen Wohnstätten wieder einzu 
richten und in neuen Berufen unterzukommen, während die Regie 
rung gleichfalls nicht in der Lage ist, ihre Neuansiedlung auf sich 
zu nehmen“; daher gelte es, „Mittel zu ersinnen, die es den Juden er 
möglichen würden, nach ihrer Ausschaltung aus ihrem einzigen Ge 
werbe, dem auf dem Lande, in Gasthöfen und Schenken betriebenen 
Schnapsverkauf, sich durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren“. Gleich 
zeitig wurde das Komitee beauftragt, die früher eingegangenen Gut 
achten der jüdischen Deputierten zu prüfen und mitzuberücksich 
tigen.
	        
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