Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Einleitung 
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Wie es den Juden in Berlin, der damals für die gesamte fort 
schrittliche Schicht tonangebenden Hauptstadt Preußens, erging, ist 
uns bereits bekannt (Band VII, § 36). Die preußische Judenheit 
schmachtete in den Fesseln des „Reglements“ vom Jahre 1760, des 
sen Urheber Friedrich der Große seiner antijüdischen Gesinnung 
bis an sein Lebensende treu blieb. Mit aller Schärfe überwachte er die 
Befolgung der Gesetzesvorschriften, die der Gewerbefreiheit und Frei 
zügigkeit, aber auch der natürlichen Vermehrung der Juden einen 
Damm entgegensetzten. Als die dem Hofe nahestehenden jüdischen 
Bankiers Itzig und Ephraim beim König um Erleichterungen für die 
Juden von Breslau nachsuchten, erhielten sie den folgenden aller 
höchsten Bescheid: „Was wegen ihres Handels ist, behalten sie. Aber 
daß sie ganze Völkerschaften von Juden zu Breslau anbringen und ein 
ganzes Jerusalem draus machen wollen, das kann nicht sein“ (1778). 
Der König war nicht einmal geneigt, die bizarrsten Erfindungen der 
alten antijüdischen „Gesetzgebung“ fallen zu lassen. So stand er nicht 
an, auf Grund einer alten, aus dem Jahre 1787 stammenden Vor 
schrift, derzufolge die verheirateten Juden, um sich als solche kennt 
lich zu machen, einen Bart tragen mußten, auf die Bitte eines seiner 
reichen jüdischen Untertanen, sich den Bart scheren zu dürfen, einen 
abschlägigen Bescheid zu erteilen. Was Wunder, daß der berühmte 
Mirabeau, der im Todesjahre Friedrichs (1786) Berlin besuchte, das 
von ihm erlassene „Reglement vor die Judenschaft“ als ein „eines 
Menschenfressers würdiges Gesetz“ („loi digne d’un canibale“) be 
zeichn ete. 
Der Nachfolger Friedrichs II., Friedrich Wilhelm II., sah die 
Grausamkeit der gegen die Juden gerichteten Gesetzgebung wohl ein, 
und so tat er in den Flitterwochen seiner Regierung dem General 
direktorium seinen Willen kund, daß „die Lage dieser verfolgten Na 
tion nach Möglichkeit erleichtert werde“. Durch das allerhöchste Wohl 
wollen ermuntert, wandten sich die Vorsteher der jüdischen Gemeinde 
von Berlin am 6. Februar 1787 an den König mit einer Supplik „voll 
Ehrfurcht und kindlichen Vertrauens“. Auf die unerträgliche Lage der 
„unter der Last unaufbringlicher Abgaben und dem nicht weniger 
harten Druck der Verachtung seufzenden“ preußischen Judenheit hin 
weisend, führten sie des weiteren aus: „Beide haben unsere Nation 
herabgewürdigt und uns gehindert, auf dem Wege der Geistesbildung, 
der größeren Industrie und jeder Art von Glückseligkeit Fortschritte
	        
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