Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

§ 31. Die vorübergehende Emanzipation (Westfalen, Frankfurt, Hamburg) 
schlossenheit hinarbeitete. Bereits 1801 hatte er im Städtchen Seesen 
aus eigenen Mitteln ein Internat begründet, in dem jüdische und 
christliche Kinder zusammen erzogen wurden; die mustergültige Lehr 
anstalt wurde weit und breit bekannt und brachte ihrem Stifter den 
Ruhm eines freigebigen Menschenfreundes ein. Die äußerliche, künst 
lich herbeigeführte Annäherung der Juden an die Christen, der jüdi 
schen Lebensformen an die christlichen — dieser Lieblingsgedanke 
Jacobsons war die Quelle sowohl seiner guten Taten wie seiner trau 
rigsten Verirrungen. 
Als nun am 9. Februar 1808 zweiundzwanzig Vertreter der jü 
dischen Gemeinden des Königreichs Westfalen in Kassel vom König 
Jeröme in einer Audienz empfangen wurden, hielt der an der Spitze 
der Deputation stehende Jacobson eine Ansprache, in der er den 
kleinen Bruder des „großen“ Napoleon als einen neuen Cyrus feierte, 
der Israel „vom Joche barbarischer Gesetzgebung“ befreit hätte; die 
Juden würden sich — so beteuerte er — der Gleichberechtigung wür 
dig zeigen: „sie werden Ihrem Heere Soldaten, Ihren Städten Kauf 
leute, Ihren Feldern Ackersleute stellen“. Die Antwort des Königs war 
überaus herzlich gehalten: „Sagt euren Brüdern — so ließ er sich 
vernehmen —, daß sie von den ihnen verliehenen Rechten ergiebigsten 
Gebrauch machen sollen. Sie können gleich meinen übrigen Kindern 
meiner Protektion sicher sein“ 1 ). 
Die Emanzipation war somit gesichert, und Jacobson ging mit allem 
Eifer an die Umgestaltung der jüdischen Gemeinden im neu erstan 
denen Königreich gemäß dem seinerzeit vom Pariser Synhedrion gut 
geheißenen Plan. Ein von Jacobson geleiteter Regierungsausschuß 
paßte diesen Plan in kürzester Frist den örtlichen Verhältnissen an, 
so daß König Jeröme schon am 3i. März 1808 für die unter seiner 
1 ) Als Napoleon den in dem amtlichen Blatte Westfalens abgedruckten Bericht 
über diesen Empfang zu Gesicht bekam, erteilte er seinem jüngeren Bruder in 
einem Brief den folgenden schroffen Verweis: ,,Es gibt kaum etwas Lächerlicheres 
als die von Ihnen den Juden bewilligte Audienz, kaum etwas Schlimmeres als Ihre 
Nachäffung des ,Moniteur de France'. Ich habe mir die Mühe genommen, die Ju 
den zu bessern, doch ist es mir nie eingefallen, neue in meine Staaten zu ziehen. 
Aber noch mehr als dies, ich habe alles vermieden, was den Anschein einer Wert 
schätzung dieser verächtlichsten unter den Menschen erwecken könnte (j’ai evite de 
faire rien de ce qui peut montrer Festime aux plus meprisables des hommes)“. 
Solcherart war die Stimmung Napoleons am Vorabend der Unterzeichnung des 
„schändlichen Dekrets“ von 1808, zu derselben Zeit also, als sich die jüdischen 
Politiker in maßlosesten Lobpreisungen des „Befreiers Israels“ ergingen. 
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