Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Der Emanzipations- und Kulturkampf in Deutschland 
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speziell die Juden betreffenden Beschränkungen (Januar 1808). Der 
Erlaß begann mit der folgenden feierlichen Erklärung: „Alle unsere 
dem Gesetze Moses’ Folge leistenden Untertanen werden sich künftig 
hin in unserem Reiche der gleichen Rechte, Wohltaten und Freiheiten 
erfreuen, die unsere übrigen Untertanen genießen“. Des weiteren ver 
hieß das Dekret die gleiche Stellung auch den aus dem Auslande zu 
wandernden Juden. Es war dies der erste auf deutschem Boden voll 
zogene Akt vorbehaltloser Emanzipation. 
Der Übergang von der Knechtschaft zur Freiheit rief in der jü 
dischen Bevölkerung Westfalens eine außergewöhnliche Begeisterung 
hervor. Als König Jerome in seine Residenzstadt Kassel Einzug hielt, 
wurde er von den Juden mit lautem Jubel begrüßt. Bei der aus diesem 
Anlaß veranstalteten Festbeleuchtung stellte einer der jüdischen Ein 
wohner im Fenster seines Hauses Handschellen aus, über denen die 
weithin sichtbare Inschrift angebracht war: „Nun sind unsere Ketten 
gesprengt“. Bald erschien beim König auch eine Abordnung, um ihm 
im Namen der jüdischen Bevölkerung Huldigungen darzubringen. Der 
Führer der Deputation war der über politischen Einfluß verfügende 
Freund und Gesinnungsgenosse Friedländers, Israel Jacobson aus 
Braunschweig. 
Finanzagent am Hofe des Herzogs von Braunschweig Karl Fer 
dinand, trat Jacobson, nachdem das braunschweigische Land dem 
Königreich Westfalen einverleibt worden war, in die Dienste des Kö 
nigs Jeröme. Seit langem schon hegte Jacobson besondere Sympathie 
für die in Frankreich herrschende Ordnung und sehnte eine Emanzi 
pation der deutschen Juden nach französischem Vorbild sowie eine 
entsprechende Reformierung ihrer inneren Lebensverhältnisse herbei. 
Die Kunde von dem Beschluß Napoleons, in Paris eine jüdische 
Notab ein Versammlung einzuberufen, versetzte ihn in helle Begeiste 
rung; er wandte sich an den Kaiser mit einem Schreiben (1806), in 
dem er ihn dazu auf rief, die gesamte Judenheit zum Gegenstände sei 
ner reformatorischen Tätigkeit zu machen und zu diesem Zwecke 
in Paris einen ständigen Obersten Rat von Repräsentanten des Juden 
tums ins Leben zu rufen. Der Brief wurde in den Zeitungen publiziert 
und mochte mit einen Antrieb zur Einberufung des Pariser Synhe- 
drions gegeben haben. Die von diesem gefaßten Beschlüsse gaben dem 
Tatendrang Jacobsons einen noch kräftigeren Anstoß, umsomehr als 
er schon seit Jahren auf die Durchbrechung der jüdischen Abge
	        
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