Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

§ 27. Die Reformprojekte in Preußen 
in vollkommene Gleichheit mit anderen Untertanen gesetzt werden, 
. . . wenn die Landesgesetze, bei Erwähnung des Namens Jude, seiner 
mit keiner Wegwerfung, oder auch nur mit Mißtrauen in seine Mo 
ralität gedenken; mit einem Worte: wenn Eine Hohe Landesregierung 
es nicht unter Ihrer Würde hält, den Juden nicht allein mehr Nah- 
rungsquellen zu eröffnen, sondern auch ihre bürgerliche Ehre wieder 
herzustellen . . . Sollte aber die allgerechte Vorsehung beschlossen 
haben, unsere Hoffnung zu täuschen, so müssen wir mit tief ge 
kränktem Herzen einen Wunsch äußern — einen schrecklichen 
Wunsch — in den aber doch alle Mitglieder der Kolonie einstimmig 
werden, nämlich den, daß Ew. Königl. Majestät geruhen möchten, 
uns in der alten Verfassung zu lassen, ob wir gleich voraussehen, daß 
die Bürde dann von Tage zu Tage unerträglicher werden wird, daß 
wir in das unabsehlichste Elend stürzen und dem Staate eine be 
schwerliche Last werden müßten“. 
Es war dies eine stolze, Achtung gebietende Demonstration. Die 
Vertreter der Unterjochten wiesen das von den Unterjochern ange 
botene Almosen voll Selbstgefühl zurück. Die tiefe Tragik dieses Ver 
zichts vermochte indessen die engherzigen Bürokraten des General 
direktoriums nicht zu rühren. Bei der Besprechung der Antwort der 
jüdischen Deputierten stand ein Mitglied der „Reformkommission“ 
nicht an, die vorgebrachten Argumente als spitzfindige, mit dem 
Firnis gleißnerischer Schönrednerei übertünchte Sophistik abzutun... 
Ebenso wie die Klagen der Entrechteten schienen somit der preußi 
schen Bürokratie auch ihre von Selbstachtung zeugenden Worte 
nichts als elende Spiegelfechterei zu sein. Ohne viele Umstände zu 
machen, trugen die Kanzleigewaltigen das „Reformprojekt“ zu Grabe, 
und die jüdische Frage verschwand für zwei Jahre von der Tages 
ordnung. 
Die alte Ordnung mit all ihren häßlichen Auswüchsen blieb nach 
wie vor ungeschmälert in Kraft. Noch im Jahre 1790 zögerte der 
König nicht, einen Befehl zu unterzeichnen, durch den in einer der 
wichtigsten preußischen Städte, in Breslau, die Stärke der jüdischen 
Bevölkerung normiert werden sollte. Die jüdischen Einwohner von 
Breslau waren damals dem Grade der ihnen erwiesenen „Duldsam 
keit“ nach in die folgenden, in absteigender Linie geordneten Kate 
gorien eingeteilt: in Generalprivilegierte, Privilegierte, Geduldete, 
.„Fixantristen“ (von „fixe entree“, dem von den Zugereisten entrich 
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