Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die Juden im christlichen Spanien (XIII. Jahrhundert) 
80 
zur Erinnerung an die evangelischen „dreißig Silberlinge“ auf. Wäh 
rend bis dahin nur die einzelnen Familienhäupter für die pünkt 
liche Entrichtung der Kopfsteuer verantwortlich gemacht wurden, be 
schloß jetzt der König, dem Beispiel der ihm benachbarten Herrscher 
folgend, fortan mit der Verteilung und der Eintreibung der Steuern die 
jüdische Gemeindeselbstverwaltung zu belasten, wobei alle Gemeinde 
mitglieder für den regelmäßigen Eingang der Abgaben solidarisch 
haften mußten. Aus den Kopfsteuerrollen einzelner Bezirke ist zu 
entnehmen, daß die Gesamtsumme der Kopfsteuer damals die Höhe 
von drei Millionen .Maravedi (etwa zwei Millionen Reichsmark) er 
reichte. Darüber hinaus lasteten auf den Juden noch allerlei Sonder 
steuern und außerordentliche Abgaben, wie der „Zehnte“ von den 
Immobilien zugunsten der Kirche, die Krönungssteuer u. dgl. m. Die 
im Jahre 1290 zusammengetretene Versammlung verteilte die Lasten 
unter nicht weniger als 120 kastilische Gemeinden. Bedeutende jü 
dische Gemeinden beherbergten die Städte Toledo, Burgos, Carrion, 
Cuenca, Avila, Valladolid, Huete, Soria, Murcia, Sepulveda und noch 
manch andere. Wiewohl die Gesamtzahl der damals in Kastilien leben 
den Juden auf Grund der Steuerrollen nicht einmal annähernd be 
rechnet werden kann 1 ), zeugen diese immerhin davon, daß die jü 
dische Bevölkerung im Lande verhältnismäßig sehr zahlreich war. Die 
tatkräftige und betriebsame Bevölkerungsgruppe bildete eine bedeu 
tende wirtschaftliche Macht, da sie hier, im Gegensatz zu Frankreich 
oder England, bei der Berufswahl in keiner Weise eingeschränkt war. 
Neben den finanztüchtigen Steuerpächtern waren unter den kastili- 
schen Juden auch Grundbesitzer anzutreffen. Die Versammlungen des 
Landadels (die Cortes in Valladolid), die in der wachsenden Macht der 
Juden eine ernstliche Gefahr erblickten, wandten sich zwar mehrmals 
an den König mit der Bitte, den Juden den Ankauf christlichen 
Grundbesitzes zu untersagen, während die Cortes der Städte ihrer 
seits die grundsätzliche Abschaffung der Steuerpacht beantragten; 
doch pflegte der König seine diesbezüglichen Versprechungen nur sehr 
*) Auf Grund nicht sehr sicherer Schätzungen veranschlagt Graetz die Ge 
samtzahl der in Kastilien gegen Ende des XIII. Jahrhunderts wohnhaften Juden 
auf etwa 85o 000, während Isid. Loeb ihre Zahl auf 2 34 000 schätzt. Die letztere 
Zahl scheint der Wirklichkeit eher zu entsprechen. Es darf nicht außer acht ge 
lassen werden, daß sich um jene Zeit eine zahlreiche jüdische Bevölkerung auch 
in Aragonien und in anderen Gegenden der Pyrenäischen Halbinsel konzentriert 
hatte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.