Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die Juden im christlichen Spanien (XIII. Jahrhundert) 
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strich. Die Folge der Ausdehnung und der Befestigung der christ 
lichen Herrschaft in Spanien war ein lebhafter kultureller Verkehr 
dieses Landes mit dem übrigen Europa, wo damals die kirchliche 
Reaktion das Zepter führte. Die spanische Geistlichkeit, unter der die 
Dominikaner reichlich vertreten waren, erstrebte nun auch ihrerseits 
die Durchführung der vom Papste und von den Konzilien beschlosse 
nen Gesetze, die die Absonderung der Andersgläubigen und ihre De 
gradierung zu einer niederen Kaste bezweckten. Auf der Tagesordnung 
stand insbesondere die Durchführung der Bestimmungen des Lateran 
konzils vom Jahre 1215, die in Spanien deshalb eine besondere Be 
deutung hatten, weil sie hier nicht nur die Juden, sondern auch die 
Mauren oder „Sarazenen“ betrafen. Bezog sich doch die Hauptneue 
rung des Konzils, das Abzeichen auf dem Obergewande, auf , beide 
andersgläubigen Bevölkerungsgruppen in gleicher Weise. So sah sich 
der Held des nationalen Krieges, Ferdinand der Heilige, vor ein 
schwieriges Dilemma gestellt: sollte er der loyalen jüdischen Bevöl 
kerung, die im Wirtschaftsleben des Landes eine so wichtige Rolle 
spielte, den Stempel der Verstoßenheit auf drücken oder aber sich als 
ein unfolgsamer Sohn jener Kirche erweisen, in deren Namen er das 
Land den Händen der Mauren entrissen hatte. Die Päpste Hono- 
rius III., Gregor IX. und Innocenz IV. mahnten Ferdinand wiederholt 
an die Befolgung der Konzilbeschlüsse, doch vermochte der König 
ihnen beim besten Willen nicht Folge zu leisten: weder die Juden 
noch die Mauren hätten sich mit der demütigenden Stigmatisierung 
abfinden können, sich aber mit ihnen zu verfeinden, hieß eine schwere 
Gefahr herauf beschwören, da der nationale Krieg nur mit dem 
finanziellen Beistand der Juden und bei ruhigem Verhalten der ein 
heimischen Muselmanen glücklich zu Ende geführt werden konnte. 
Aus demselben Grunde sah sich Ferdinand III. genötigt, auch die 
die Errichtung neuer Synagogen untersagende kanonische Vorschrift 
einfach zu ignorieren. So wurden denn um jene Zeit in den 
neu eroberten Städten Andalusiens, in Cordova, Sevilla u. a., Syna 
gogen erbaut, die an Schönheit und Pracht den herrlichsten Kirchen 
nicht nachstanden. 
Eine zweideutige Politik trieb der Nachfolger Ferdinands, Alfons X. 
der Weise (i2Ö2—1281), in dessen zwiespältiger Natur Freidenker- 
tum und Aberglauben einander den Rang abliefen. In seinen ersten 
Regierungsjahren nahm er sich vor, die in den verschiedenen Ge
	        
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