Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 8. Die Vertreibung der Juden aus England (1290) 
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Glauben zu erziehen, und riet überdies, auch die Eltern, sei es durch 
Überredung oder durch Drohungen, zur Taufe zu bewegen. Gleich 
zeitig befahl der Erzbischof von Canterbury, John Peckham, alle jü 
dischen Bethäuser in London, jene bescheidenen Andachtstätten, die 
nach der Beschlagnahme der großen Synagoge durch Heinrich III. 
noch übriggeblieben waren, kurzerhand zu schließen (1282). Dieser 
maßlose Kircheneifer der englischen Geistlichkeit wurde immer aufs 
neue durch fanatische Hirtenbriefe des Papstes Honorius IV. ange 
facht. So erging er sich in einem Schreiben an die Erzbischöfe von 
Canterbury und York (1286) in lebhaften Klagen darüber, daß die 
„treulosen Juden“ ihre getauften Stammesgenossen zur Rückkehr zum 
jüdischen Glauben bewegen, daß sie die Christen an Sabbat- und 
Feiertagen in ihre Synagogen locken, ja sogar zu Verbeugungen vor 
der Thorarolle anhalten, „so daß viele Christen gemeinsam mit den 
Juden judaisieren“. Die zweifellos auf Übertreibung beruhenden Kla 
gen verfolgten nur den Zweck, die zuständigen Behörden an die Be- 
f olgung der auf die Absonderung der Juden von den Christen abzielen 
den Kanons zu gemahnen. Der Klerus schenkte denn auch den päpst 
lichen Mahnungen volles Gehör: das bischöfliche Konzil in Exeter 
(1287) beeilte sich, die Kirchenkanons, die den Juden die Bekleidung 
öffentlicher Ämter, die Beschäftigung christlicher Dienstboten, die 
Errichtung neuer Synagogen u. dgl. m. untersagten, nachdrücklichst 
zu bestätigen. 
Um diese Zeit trug sich aber König Eduard I. bereits mit dem 
Plan, den gordischen Knoten der jüdischen Frage in England ein für 
allemal zu durchhauen. Im Frühling des Jahres 1287 erging, gleich 
sam als Vorspiel zum entscheidenden Akt, der Befehl, alle jüdischen 
Familienhäupter im Lande festzunehmen und so lange gefangenzuhal 
ten, bis sie 12 000 Pfund an den Staatsschatz abgeführt hätten. Drei 
Jahre später entschloß sich dann der König zu dem folgenschweren 
Schritt, auf den die ganze englische Judenpolitik mit schicksalhafter 
Unabwendbarkeit hinauslief: zur restlosen Vertreibung der Juden aus 
England 1 ). Eduard I. weilte damals auf seinen französischen Besitzun 
1 ) Graetz (Gesch. VII, Note 11) bringt diese Maßnahme mit jener Episode 
in Zusammenhang, die im Nachtrag zu den Annalen des englischen Chronisten 
Florenz aus Worcester wiedergegeben ist. Es wird dort nämlich von einem Do 
minikaner, von dem „des Hebräischen kundigen, trefflichen Prediger Robertus 
de Reddinge“ berichtet, der im Jahre 1275 von der Kirche abfiel, zum Juden 
tum übertrat, eine Jüdin ehelichte und den Namen Haggai annahm. Diese Epi
	        
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