Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 7. Die Not der englischen Juden unter Heinrich III. 
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schließlich und erlegte die geforderte Summe. Unter einer solchen, 
Willkürherrschaft konnte der innere Aufbau der jüdischen Gemein 
den in England naturgemäß keine Fortschritte machen. Aus vielen Ge 
meinden wanderten die Rabbiner und Gelehrten, die hier kein Be 
tätigungsfeld fanden, mitsamt einer Gruppe ihrer französischen Kol 
legen aus der Tossafistenschule nach Palästina aus (1211). Wenig be 
neidenswert war die Lage der Juden während des berühmten von den 
Baronen und den Städten gegen Johann ohne Land angezettelten Auf 
standes, der die Begründung der englischen parlamentarischen Ver 
fassung im Gefolge hatte. Das Heer der Barone zerstörte nämlich in 
London die jüdischen Häuser und verwandte das Baumaterial zur Be 
festigung der Stadtmauern, während der jüdische Besitz, der als 
königliches Eigentum galt, eingezogen wurde. Als es den Aufständi 
schen schließlich gelungen war, Johann die Konstitution, die „Magna 
Charta libertatum“, abzuzwingen (1215), wurde in diese auf Kosten 
der jüdischen Gläubiger auch manche vornehmlich den freiherrlichen 
Schuldnern zugute kommende Vergünstigung mit aufgenommen (so 
hafteten die Rechtsnachfolger des verstorbenen Schuldners nur mit 
jenem Teile des Nachlasses, der nach Abzug der für den standesge 
mäßen Lebensunterhalt der Witwe und der Waisen unentbehrlichen 
Mittel übrigblieb). 
§ 7. Die Not der englischen Juden unter Heinrich III. 
Die lange Regierung Heinrichs III. (1216—1272) stellt in der 
Geschichte der englischen Judenheit den unheilvollsten Abschnitt dar. 
Es war dies die unausbleibliche Folge des diese Epoche ganz ausfül 
lenden Kampfes zwischen König und Ständen. Die sich auf die Juden 
erstreckende königliche „Schutzherrschaft“ versetzte die Schutzbefoh 
lenen, abgesehen davon, daß sie ihnen teuer zu stehen kam, auch noch 
in eine überaus prekäre Lage unter den übrigen Bevölkerungsschich 
ten. Die Feindseligkeit gegen den König griff zugleich auch auf die 
„königlichen Leute“ über. Die ihre Autonomie gegen die Anschläge 
der königlichen Gewalt verteidigende städtische Bevölkerung sah mit 
Unwillen auf die in ihrer Mitte lebende fremdstämmige Bürgergruppe 
herab, welche von der verhaßten Gewalt völlig abhängig war und 
schon dadurch allein der Homogenität der sich selbst verwaltenden 
Stadt Abbruch tat; der dem König feindliche Adel haßte aber die Ju-
	        
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