Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das französische Zentrum und die englische Kolonie 
gelegene Aragonien übersiedelten, wo sie in den großen jüdischen Ge 
meinden von Barcelona, Saragossa und anderen Städten aufgenommen 
wurden, die um jene Zeit gerade der wirtschaftlichen Tätigkeit der 
Juden ihre hohe Blüte verdankten. 
§ 6. Die Juden in England unter Johann ohne Land 
Die Geschichte der englischen Juden im XIII. Jahrhundert stellt 
in den Hauptzügen ein treues Abbild der Geschichte der Juden in 
Frankreich dar. Der jüdischen Metropole auf dem Festland und ihrer 
Kolonie auf der Insel war im großen und ganzen das gleiche Los be- 
schieden; soweit Abweichungen zu verzeichnen sind, waren sie durch 
die Unterschiede in der Lebensordnung und in der politischen Struktur 
der beiden Länder bedingt. Wie die Dinge in England lagen, mußte 
die Kopie viel derbere Züge aufweisen als das Original. Das Prinzip: 
„Die Juden sind Leibeigene des Königs“ gelangte hier in vereinfachter 
Form zur Anwendung und wurde systematisch und ohne Nachsicht 
durchgeführt. 
Als der König Richard I. im Jahre 1194 nach dem Kreuzzuge 
heimkehrte und von der unter den Juden während seiner Abwesenheit 
angerichteten Verheerung Kenntnis erhielt (Band IV, § 36), ordnete 
er eine strenge Untersuchung an, in erster Linie zur Feststellung des 
dem Staatsschatz durch die Vernichtung des jüdischen Eigentums und 
der Schuldbriefe zugefügten Schadens. Da nämlich der König von 
jeder bei den Kreditgeschäften umgesetzten Summe bestimmte Ge 
bühren bezog, so erlitt er durch die Vernichtung nicht eingelöster 
Schuldbriefe einen unmittelbaren Verlust. Um in Zukunft solche Miß 
stände zu verhüten, befahl der König seinen Beamten, alle jüdischen 
Finanzoperationen zu registrieren. Alle Schuldverschreibungen und 
Abrechnungen mußten in zwei Abschriften ausgefertigt werden, deren 
eine in den Händen des jüdischen Gläubigers verblieb, während die 
andere im Staatsarchiv in eigens dazu bestimmten Truhen verwahrt 
wurde 1 ). Auf diese Weise standen dem König für den Fall einer Ver 
nichtung des jüdischen Besitzes sowie der Geschäftsurkunden genaue 
Abschriften zur Verfügung und, was das wichtigste war, durch die 
U Die Schuldbriefe („Schetaroth“) pflegte man gewöhnlich in hebräischer 
Sprache mit lateinischer Übersetzung abzufassen, zuweilen aber nur lateinisch oder 
in der normannischen Mundart der französischen Sprache.
	        
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