§ 5. Die Vertreibung aus Frankreich (1306)
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seigneurialen Herrschaftsbezirken, wo die königlichen Juden nicht
selten vor der Bedrückung Zuflucht suchten. Die Inhaftierung der
Juden ging überall gleichzeitig vor sich, am 22. Juli oder 10 Ab, an
dem dem nationalen Trauerfeste folgenden Tage. Den Verhafteten
wurde kundgetan, daß sie binnen Monatsfrist unter Zurücklassung
ihres gesamten Vermögens aus dem Lande ziehen müßten; nur ihre
Alltagskleider und ein geringes Zehrgeld durften sie mit sich nehmen.
So sahen sich viele Tausende von Juden (ihre genaue Zahl ist in den
Quellen nicht angegeben) mit einem Schlage sowohl der Heimat wie
des Besitzes beraubt. Nach Ablauf der festgesetzten Frist verließen sie
die Städte Frankreichs, wo sich schon zur Zeit des antiken Rom ihre
Vorfahren niedergelassen hatten. Das gesamte bewegliche und unbe
wegliche Gut der Verbannten fiel dem König zu und wurde von ihm
mit hohem Vorteil versteigert. Nur die zum Christentum Übertre
tenden blieben von der Verbannung verschont; indessen mochte eine
solche Vermehrung der Gemeinde Christi, durch die der König einen
Teil seiner Beute einbüßen mußte, ihn wohl kaum besonders erfreut
haben. Übrigens war die Zahl der Überläufer sehr gering, abgesehen
von Toulouse, wo viele, um dem Ruin zu entgehen, zum Scheine die
Taufe annahmen.
„Was nach Eröffnung des königlichen Beutezugs im Bezirk von
Toulouse vor sich ging — sagt ein moderner französischer Geschichts
schreiber (Langlois) — scheint sich auch an anderen Orten abgespielt
zu haben 1 ). Alles bewegliche und unbewegliche Gut der Juden wurde
eiligst mit Beschlag belegt und öffentlich versteigert. Manchen ge
lang es, das Kostbarste zu verbergen; darauf begann man, nach den
vergrabenen Schätzen zu suchen, wobei den Angebern der fünfte Teil
der Funde in Aussicht gestellt wurde. Die Einnehmer sammelten das
einkassierte Geld und schickten die goldenen und silbernen Gegen
stände: Becher, Gürtel, Ringe, zur Münze, mit Ausnahme der schön
sten Stücke, die sie für den König zurückbehielten. Die Versteigerung
der Immobilien wurde in den meisten Bezirken auf mehrere Jahre
ausgedehnt, um das eingezogene Gut nicht zu verschleudern, wiewohl
die ,Kommissare in jüdischen Angelegenheiten 4 von Paris aus ständig
D Nach Toulouse wurde eine besondere Requisitionskommission entsandt, an
deren Spitze der berüchtigte Guillaume de Nogaret, der Intimus des Königs stand,
der auch manch andere ruchlose Schandtat, so den Überfall auf den Papst Boni-
fazius und die Ausplünderung des Templerordens auf Philipps Geheiß zur Aus
führung brachte.