Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 5. Die Vertreibung aus Frankreich (4306) 
den Erlaß seines Vorgängers, der den Juden den Aufenthalt in kleinen 
Flecken und Dörfern untersagte (1291), jedoch nicht so sehr jzur 
Verhütung der religiösen Beeinflussung der „einfältigen Landleute“, 
als vielmehr aus dem Grunde, weil auf dem Lande der Handel brach 
lag und der Staatsschatz somit durch die jüdische Abwanderung aus 
den Großstädten eines Teiles der Handelsabgaben hätte verlustig gehen 
müssen. 
Kein einziger unter den französischen Königen beschäftigte sich 
soviel mit den Juden wie Philipp IV., der in dieser Beziehung sogar 
seinen Urgroßvater Philipp August weit übertraf. Durch alle seine 
Dekrete zieht sich wie ein roter Faden das eine Hauptinteresse: der 
Schacher mit jüdischen Seelen, als wären die Juden seine Leibeigenen, 
und das Bestreben, sie bis zum äußersten auszubeuten. Schon als Erb 
prinz, da er durch seine Ehe mit der Gräfin von Champagne zum Ge 
bieter dieser Provinz wurde, preßte er den dortigen Juden als Ent 
gelt für die Bestätigung ihres Aufenthaltsrechts eine „Mitgift“ von 
2 5 000 Livres ab. Später rechtete er ständig mit den Baronen um die 
Jurisdiktion über die in den Seigneurien lebenden Juden, indem er 
sich auf seine königlichen Vorrechte berief. So mußte im Jahre 1297 
zur Schlichtung des Streites zwischen dem König und seinem Bruder 
Karl, dem Grafen von Valois, Alangon und Anjou, dessen Gegenstand 
43 Juden bildeten, die jede Partei, als die „ihrigen“ reklamierte, ein 
Schiedsgericht■ angerufen werden; das Gericht entschied, daß nur 12 
der Umstrittenen dem Grafen gehörten, wobei die Parteien zugleich 
übereinkamen, daß durch die Übersiedlung der Juden aus einem 
Schutzbereich in einen anderen ihr ursprüngliches Abhängigkeits 
verhältnis nicht berührt werden sollte. Bemerkenswert ist es, daß hier 
bei als Schiedsrichter auch zwei Juden bestellt worden waren: Calot 
aus Rouen als Vertreter der „königlichen“ Juden und Joucet aus Pon- 
toise, „ein Jude des Grafen von Alangon“; Zwei Jahre später schlossen 
die beiden Brüder einen neuen Geschäftsvertrag miteinander: der Graf 
Karl von Valois verkaufte Philipp IV. alle auf seinen Besitzungen 
lebenden Juden, 2000 an der Zahl, für 20 000 Livres. Der König 
pflegte seine Provinzialbeamten, die Seneschalle und Bailli’s, immer 
wieder zu ermahnen, die „jüdischen Steuern“ (taille des juifs) pünkt- 
lichst einzutreiben, wobei die säumigen Zahler verhaftet und nach 
Paris geschafft werden sollten. Die Funktionen der verantwortlichen 
Steuereinnehmer wurden aber wohlhabenden Juden aufgezwungen. 
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