Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Anhang 
gänzungen in den erhalten gebliebenen Einzelschilderungen. So beleuchtet 
die im Jahre i5io abgefaßte kurze Chronik: „Sefer ha’Kabbala“ des 
Ahraham von Torrutiel manche Einzelheiten der Vertreibung aus Spanien 
und Portugal (in Neubauers „Chronicles“, I, ioi—n4 sowie im Anhang 
zum Bande VI der Geschichte von Graetz in der hebräischen Ausgabe von 
Schefer). Das von einem Zeitgenossen in jüdisch-deutscher Sprache ver 
faßte Volksbuch „Die Wiener Gseire“ vermittelt uns den Eindruck, den 
die im Jahre 1^21 erfolgte Austreibung aus Wien in der Volkspsyche 
hinterlassen hat. Die Chronik des Elias Kapsali: „Debe Elijahu“ (in 
„Likkutim schonim“ des M. Lattes, Padua 1869) bildet die einzige Quelle 
für die Geschichte des in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts neu 
entstandenen Zentrums in der Türkei. Die Berichte über die zwei Dis 
putationen, über die von Barcelona im Jahre 12 63 und die von Tortosa 
in den Jahren i4i3—i4i4 („Wikkuach ha’Ramban“ in Wagenseils „Tela 
ignea Satanae“, 1681; „Wikkuach Tortosa“ in „Jeschurun“ von Koback, 
Band VI, 1868) stellen ein wertvolles Gegenstück zu den Berichten der 
christlichen Zeitgenossen dar. Solcher kurzgefaßter Schilderungen von 
Einzelepisoden ließe sich noch eine ganze Anzahl anführen; was will aber 
dies alles der betrübenden Tatsache gegenüber bedeuten, daß das Mittel- 
alter uns keine systematisch gepflegte Chronographie hinterlassen hat. Die 
erschütternden geschichtlichen Tragödien wurden von keinem ihnen ge 
wachsenen Annalisten festgehalten, und so müssen wir die Berichte über 
die Erlebnisse unserer Vorfahren aus fremden, zumeist auch feindlichen 
Händen in Empfang nehmen: aus den Chroniken und Streitschriften 
der katholischen Mönche, aus tendenziös zugestutzten Berichten über 
Ritualmordprozesse und aus ähnlichen trüben Quellen. 
3. Monographien über einzelne Länder und Gemeinden 
Von den uns zur Geschichte der Juden in den einzelnen Ländern oder 
Provinzen sowie zur Geschichte der bedeutendsten Gemeinden des mittel 
alterlichen Europa vorliegenden Monographien verdienen die folgenden 
besondere Erwähnung: 
Für die Pyrenäische Halbinsel kommen vor allem die zwei eingehenden 
Monographien von M. Kayserling in Betracht: „Geschichte der Juden in 
Navarra“, Berlin 1861, und „Geschichte der Juden in Portugal“, Berlin 
1867, die zwar heute im wesentlichen veraltet sind, jedoch als Zusammen 
stellung des aus alten spanischen und portugiesischen Chroniken geschöpf 
ten Materials noch immer einen gewissen Wert behalten. Noch wertvoller 
ist indessen in dieser Beziehung das dreibändige Werk des Amador de 
Los Rios: „Historia social, politica i religiosa de los Judios de Espana“, 
Madrid, 1875—1876. In wissenschaftlicher Hinsicht kommt freilich diesem 
die ganze mittelalterliche Geschichte der Juden auf der Pyrenäischen Halb 
insel umfassenden Werke keine allzu große Bedeutung zu, da sich der 
katholische Verfasser, der sogar die Untaten der spanischen Inquisition zu
	        
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