Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Osteuropa und der jüdische Orient 
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nun eine Reise durch die Städte Litauens an, um das nötige Lösegeld 
aufzubringen. Als dann im Jahre i495 die Juden aus Litauen und 
somit auch aus Kiew ausgewiesen wurden, suchte der umherirrende 
Gelehrte gleich vielen anderen in der Krim Zuflucht. Die von ihm 
in den ersten zwei Jahrzehnten des XVI. Jahrhunderts in Kaffa ent 
faltete literarische Wirksamkeit 1 ) zeugt von dem Aufschwung des 
geistigen Lebens, den die jüdischen Gemeinden in der Krim den Zu 
wanderern aus Litauen zu verdanken hatten. Die aus den verschieden 
sten Ländern herbeigeströmten Emigranten bildeten innerhalb der 
Gemeinden von Kaffa, Sulchat und anderen Krimer Siedlungspunk 
ten geschlossene Landsmannschaften; während die aus dem ehemali 
gen Byzanz stammenden Gemeindemitglieder die Andacht nach „ru 
mänischem“ oder griechischem Ritus verrichteten, hielten sich die 
Auswanderer aus dem polnisch-litauischen Reiche an die „aschkena- 
sitische“ oder deutsche Liturgie. Demgegenüber suchte Moses ha’Gola 
dem gottesdienstlichen Zeremoniell in der neuen Heimat eine ein 
heitliche Form zu sichern. Was die Karäer anlangt, so führten ihre 
Gemeinden ein völlig abgesondertes Dasein und ihre Beziehungen zu 
den Rabbaniten waren, wie dies aus der unausgesetzten literarischen 
Fehde zwischen Moses ha’Gola und den karäischen Gelehrten zu er 
sehen ist, überaus gespannt. 
Manche der Krimer Juden standen in den unmittelbaren Diensten 
der Chane, die sie nicht nur mit finanziellen, sondern auch mit di 
plomatischen Aufträgen zu betrauen pflegten. Als ein solcher di 
plomatischer Zwischenträger, der sich in erster Linie bei dem vom 
Chanat mit Moskau gepflogenen Unterhandlungen hervortat, ist na 
mentlich der von dem Chan Mengli-Girei begünstigte und in Kaffa 
beheimatete Jude Chosa Kokos bekannt. Großes Vertrauen wurde 
Kokos auch von dem Großfürsten von Moskau Iwan III. entgegen 
gebracht, der den jüdischen Diplomaten anläßlich der Unterzeich 
nung des von diesem vermittelten Schutz- und Trutzbündnisses gegen 
den gemeinsamen Feind, den Chan der Goldenen Horde, näher ken 
nen gelernt hatte (147 4). Auf die Bitten des Großfürsten hin ge 
währte Kokos den in der Krim eintreffenden moskowitischen Ge 
sandtschaften seine Unterstützung, suchte das Einvernehmen zwi 
schen Mengli-Girei und dem Großfürsten aufrechtzuerhalten sowie 
für Moskau günstige „Ukase“ zu erwirken. Daneben nahm derGroß- 
*) S. Band VI dieser „Geschichte“.
	        
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