Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 6U. Polen und Litauen unter den Jagellonen 
hundert daran, die Handelsfreiheit ihrer jüdischen Mitbürger durch 
allerlei Beschränkungen einzuengen. So wurde ihnen in Krakau, Lem 
berg und Posen der Einzelhandel auf den Märkten bald ganz unter 
sagt, bald wurde er auf die Wochenmarkttage und auf bestimmte 
Warenartikel beschränkt. In Krakau setzten die deutschen Bürger der 
jüdischen Gemeinde so hart zu, daß ihre Vertreter sich schließlich 
„mit gutem Willen und ohne allen Zwang“ schriftlich verpflichten 
mußten, in offenen Läden keine Waren feilzubieten und den Handel 
lediglich in ihren Häusern oder höchstens zweimal wöchentlich auf 
den Märkten zu betreiben (i485). Es ist ohne weiteres klar, daß 
solche „gutwillige“ Vereinbarungen kaum mit besonderer Peinlich 
keit eingehalten wurden 1 ). 
Nach dem Tode Kasimirs des Jagellonen fiel das polnische Erbe 
seinem Sohne Jan-Albrecht (1492—i5oi) zu, während Litauen von 
dessen Bruder Alexander dem Jagellonen (1492—i5o6) regiert 
wurde. Die neuen Herrscher waren keineswegs von freundschaftlichen 
Gefühlen für die Juden erfüllt: sie waren beide Zöglinge des Ge 
schichtsschreibers Jan Dlugosz, der sie mit dem ihn kennzeichnenden 
Judenhaß infizierte. Im Jahre 1496 bestätigte Jan-Albrecht in Petri- 
kau den Klerikalen zuliebe das obenerwähnte Statut von Nieszawa, 
welches die Rechtsverhältnisse der Juden der Kontrolle der Kirche 
unterstellte. Schon früher war der König den Wünschen der Kra 
kauer Bürgerschaft entgegengekommen, die die Juden längst los 
werden wollte. Im Jahre i494 fielen in Krakau viele Baulichkeiten 
einer Feuersbrunst zum Opfer, und wiederum waren es die Juden, 
die die Zeche zu zahlen hatten. Man überfiel die jüdischen Häuser, 
plünderte die Warenlager aus und verprügelte jeden, der Widerstand 
zu leisten wagte. Die Sache kam vor den König, und Jan-Albrecht 
faßte nun den „weisen“ Beschluß, zur Vermeidung künftiger Konflikte 
die beiden feindlichen Lager dadurch voneinander zu trennen, daß er 
die Juden aus Krakau vertrieb und ihnen als Wohnort die Vorstadt 
1 ) Vor kurzem wurden im Warschauer Archiv Akten zutage gefördert, die 
davon zeugen, daß die Juden im XV. Jahrhundert auch in Warschau, der Haupt 
stadt Masowiens, ansässig waren. In den Urkunden wird unter dem Jahre i43o 
ausdrücklich eine „Judengasse“ erwähnt; daneben ist aus dieser Zeit eine Syna 
goge und ein jüdischer Friedhof bezeugt, die Wahrzeichen einer bodenständigen 
Gemeinde. Im Jahre 1454 kam es zu einem Überfall der Bürger auf die Ju 
den, der wohl auf die Verschärfung des Handelswetthewerbs zurückzuführen ist, 
und im Jahre i483 verfügte der Fürst von Masowien die restlose Vertreibung der 
Juden aus Warschau. S. Bibliographie. 
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