Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

468 
Osteuropa und der jüdische Orient 
Kreuzzug gegen die kurz vorher in Konstantinopel eingezogenen Tür 
ken angeworben. Zügellose Banden von Mönchen, Studenten, ver 
lumpten Schlachzizen und sonstigen Taugenichtsen eröffneten den 
„heiligen Krieg“ nach altem Brauch bereits unterwegs, in ihrer eige 
nen Heimat Auf dem Zuge der Kreuzfahrer durch Rotrußland waren 
es die griechisch-orthodoxen Ruthenen und die Juden, die ihrer Raub 
gier zum Opfer fielen. Als die Banden Lemberg umzingelten und die 
Auslieferung seiner jüdischen Einwohner verlangten, wurden sie von 
den Stadtbehörden abgewiesen und mußten sich mit einem Lösegeld 
zufrieden geben. Hingegen wurden sie von der Bürgerschaft von 
Krakau, als sie vor den Toren dieser Stadt erschienen waren, an 
standslos eingelassen und konnten die jüdischen Häuser und Waren 
lager nach Herzenslust plündern, wobei sie auch etwa dreißig Kra 
kauer Juden niedermachten. Die jüdische Gemeinde versäumte nicht, 
sich über die Handlungsweise des Magistrats beim König zu beschwe 
ren, worauf Kasimir den Stadtbehörden wegen Begünstigung der 
Raubmörder eine Geldbuße von dreitausend Zloty auferlegte. Da 
neben mußten die Bürger zehntausend Zloty als Kaution dafür hin 
terlegen, daß sich solche Gewalttaten in Zukunft nicht mehr wieder 
holen würden. Im selben Jahre kam es zu einer blutigen Judenver 
folgung auch in Posen. Die Judenhasser nahmen hier die Feuers 
brunst, die das Dominikanerkloster vernichtete, zum Anlaß, um die 
Juden der Brandstiftung zu bezichtigen und so die Volksmenge ge 
gen sie aufzuhetzen; bei den Exzessen wurden einige Juden erschlagen 
und viele jüdische Kinder gewaltsam getauft. Auch hier mußte der 
Magistrat, der das Blutvergießen geschehen ließ, sein Verhalten mit 
einer Geldstrafe zugunsten des Königs büßen, während die unmittel 
baren Täter gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurden. Die 
Hauptanstifter dieser Ausschreitungen waren die in Posen ansässigen 
deutschen Bürger. Ihre Mißgunst galt ganz besonders dem weit ver 
zweigten Handelsverkehr, den die Posener und Krakauer Juden mit 
Danzig (Gdansk) und den damals unter polnischer Schutzherrschaft 
stehenden ostpreußischen Städten unterhielten. Nicht minder rege wa 
ren die Handelsbeziehungen, die um jene Zeit die Juden von Lem 
berg, von Wolhynien und Litauen mit ihren Stammesgenossen in der 
Krim und der Türkei verbanden. Da die Judenhetzen sich im Kampfe 
gegen den jüdischen Wettbewerb als eine zweischneidige Waffe er 
wiesen, gingen die Magistrate der Großstädte seit dem XV. Jahr
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.