Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 63. Polen und Litauen unter Jagello und Witold 
seiner Hauptstadt empörte König stellte die Mitglieder des Magistrats 
streng zur Rede und verlangte von ihnen, daß sie die Schuldigen aus 
findig machen und das geplünderte Hab und Gut wieder herbei 
schaffen sollten. Es stellte sich heraus, daß die Haupträdelsführer 
dem Handwerkerstande angehörten. Die zur Verantwortung gezogenen 
Zunftältesten, die meist deutsche Namen trugen (Lenz, Neukirch 
u. dgl. m.) wandten sich an den Stadtrat mit der Bitte, nur die Haupt 
anstifter der Strafe zuzuführen, doch überantwortete der Magistrat 
auf ausdrückliches Verlangen des Königs alle Mitschuldigen ohne 
Ausnahme den Gerichtsbehörden. Der Prozeß zog sich in die Länge 
und sein Ausgang ist unbekannt. 
Nicht ohne deutschen Einfluß breitete sich in Polen auch jene 
antijüdische Agitation aus, die namentlich zur Zeit der Hussitenbe- 
wegung deutlich in Erscheinung trat. An den Sitzungen des zur Be 
kämpfung der Hussiten in Konstanz einberufenen Konzils nahm näm 
lich auch eine polnische Delegation teil, deren Führung in den Hän 
den des Erzbischofs Nikolaus Tromba lag. Nach seiner Rückkehr in 
die Heimat leitete dieser Erzbischof die Arbeiten des Kirchenkonzils 
von Kalisch, das gleichfalls anläßlich der Hussitenbewegung zusam 
mengetreten war (1420). Das Konzil von Kalisch bestätigte feier 
lichst alle Kanons, die von dem Breslauer und Ofener Konzil (oben, 
§ 3o) als Gegengewicht gegen die den Juden von den Königen ver 
liehenen „liberalen“ Charten auf gestellt worden waren, und fügte 
ihnen noch manche neue Forderungen hinzu, wie etwa die, daß die 
jüdischen Immobilienbesitzer zugunsten der Kirchen jener Sprengel, 
in denen sie „an Stelle von Christen ihren Wohnsitz aufgeschlagen 
haben“, eine Sondersteuer entrichten sollten, und zwar in der vom 
Bischof zu bestimmenden Höhe des von ihnen „der Christenheit zuge 
fügten Schadens“. Zugleich richtete die Geistlichkeit an den König 
die Forderung, daß er Maßnahmen gegen den jüdischen „Wucher“ 
ergreifen solle. Neben der Geistlichkeit bestürmte den König mit 
ihren Wünschen auch die Schlachta, die die ihren jüdischen Gläubi 
gern verpfändeten Ländereien ohne Rückzahlung der geschuldeten 
Summen zurückerhalten wollte. Dem doppelten Drucke nachgebend, 
entschloß sich Wladislaw Jagello auf dem Ständesejm zu Warta 
(i423), die Bestimmungen des Wißlitzer Landtags vom Jahre i347 
wieder zu erneuern, wonach die Juden nur gegen Faustpfänder, nicht 
.aber gegen Schuldverschreibungen oder gegen Verpfändung von Im
	        
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