Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Italien zur Zeit der Frührenaissance 
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mals große Massen von Juden angesammelt hatten, die mit allen Hä 
fen des Mittelmeeres und namentlich mit der afrikanischen Küste 
in lebhaftestem Handelsverkehr standen. Sowohl ihrer Zahl wie auch 
ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach nahmen die Juden unter der 
buntscheckigen christlich-muselmanischen Inselbevölkerung, die sich 
aus Griechen, Italienern, Spaniern und Mauren zusammensetzte, eine 
hervorragende Stellung ein. Die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse der 
jüdischen Gemeinden in den Städten des aragonischen Sizilien: in Pa 
lermo, Messina, Catania, Syrakus, Marsala usw., kamen denen der 
Gemeinden des spanischen Mutterlandes, etwa Saragossa oder Bar 
celona, überaus nahe, wiewohl sie auch manche in der politischen 
Vergangenheit Siziliens wurzelnde Eigenheiten aufzuweisen hatten. 
Im jüdischen Sizilien des XIV. und XV. Jahrhunderts tritt uns 
nämlich eine Kombination zweier verschiedener Systeme entgegen: 
des hier seinerzeit vom deutschen Kaiser Friedrich II. von Hohen 
staufen (oben, § 28) eingeführten Systems der Kammerknechtschaft 
und des aragonischen Systems Jakobs I. und seiner Nachfolger, die 
die jüdischen Gemeinden gleichsam in königliche Finanzämter ver 
wandelten (oben, § 10). Einerseits wird hier in der amtlichen Sprache, 
wie die aus beiden Jahrhunderten stammenden Urkunden bezeugen, 
nach wie vor die altüberkommene reichsdeutsche Wendung „Knechte 
der königlichen Kammer“ (servi regiae camerae) beibehalten, an 
dererseits stehen die aragonischen Könige oder Vizekönige mit den 
jüdischen Gemeinden in lebhaftem Briefwechsel über Steuerwesen, 
Vorschüsse, Rückstände und Anleihen. Die Beziehungen zwischen der 
obersten Staatsgewalt und der Juderiheit sind von dem patriarchali 
schen Verhältnis bestimmt, wie es etwa zwischen einem Vormund 
und den von ihm Bevormundeten besteht. Im Jahre i3io erließ frei 
lich der aragonische König Friedrich III. für die Juden Siziliens ein 
Statut, in dem die kirchlichen Kanons volle Berücksichtigung fan 
den: es wurde ihnen verboten, christliche Sklaven zu besitzen, mit 
Christen von Haus zu Haus zu verkehren, öffentliche Ämter zu be 
kleiden sowie Christen ärztlich zu behandeln. Durch das gleiche Ge 
setz wurden ähnliche Rechtsbeschränkungen für die „Sarazenen“, die 
sizilianischen Mauren, festgesetzt, denen zugleich auch noch das Tra 
gen eines Abzeichens an der Brust in der Art des Judenzeichens zur 
Pflicht gemacht wurde. Die zum Christentum Übertretenden durf 
ten nicht durch den Schmähnamen „Hundsrenegaten“ (canes rene-
	        
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