Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 60. Süditalien. Die Vertreibung aus Sizilien 
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harrenden Pilger brachten den Mönchen immensen Gewinn ein. Trotz 
dem war Sixtus IV. nicht dazu zu bewegen, Simon als heiligen Mär 
tyrer zu kanonisieren, und es vergingen volle hundert Jahre, bis man 
in Rom dem Volksaberglauben Genüge tat: erst Gregor XIII. gab 
seine Zustimmung dazu, daß „Simon Tridentinus“ als ein zur „Schän 
dung Christi“ hingemordeter Märtyrer verehrt werde. 
So zeigten sich am heiteren Himmel der italienischen Renaissance 
plötzlich die düsteren Schatten der Nachzüglerin des Mittelalters, der 
Inquisition, die zugleich Vorboten der hundert Jahre später die Re 
naissanceepoche ablösenden Periode der katholischen Reaktion waren. 
§ 60. Süditalien. Die Vertreibung aus Sizilien 
Ein von dem übrigen Italien abgesondertes Dasein führte der sich 
in seiner politischen und wirtschaftlichen Verfassung von dem Nor 
den stark unterscheidende italienische Süden. Süditalien war in jener 
Epoche zwischen zwei Dynastien auf geteilt: einer französischen und 
einer spanischen. Während das Königreich Neapel unter der Gewalt 
der Herrscher aus dem Hause Anjou stand, die zugleich die Grafen 
der Provence waren, wurde Sizilien von den Königen Aragoniens re 
giert (oben, § 36). Über die Geschicke der neapolitanischen Juden 
im XIV. und XV. Jahrhundert haben sich nur sehr spärliche Nach 
richten erhalten. Die ersten Könige aus dem Hause Anjou machten 
zwar den Versuch, die Gepflogenheiten der „allerchristlichsten“ fran 
zösischen Herrscher auch nach dem italienischen Süden zu verpflan 
zen, doch vermochte die kirchliche Politik auf diesem Boden kaum 
je Wurzel zu fassen. Der König Robert von Anjou (i3o9—1343), 
ein Förderer der Aufklärung, der in Neapel die Zeiten des Kaisers 
Friedrich II. neu erstehen ließ, wandte sich von dieser Politik bald 
ab. Gleich Friedrich umgab er sich mit Gelehrten und Dichtern, un 
ter denen auch aus Rom und der Provence stammende jüdische 
Schriftsteller vertreten waren (unten, § 6i). Die gegen Ende des 
XIV. Jahrhunderts erfolgte Ausweisung der Juden aus dem größten 
Teil der Provence trieb wohl viele von den Emigranten nach dem 
Königreich Neapel, indessen ist uns über die Rückwirkung dieser 
Zuwanderung auf das innere Leben der dortigen jüdischen Gemein 
den nichts bekannt. Der Schwerpunkt der süditalienischen Judenheit 
lag übrigens um jene Zeit nicht hier, sondern in Sizilien, wo sich da
	        
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