Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 59. Die Gemeinden Oberitaliens. Simon Tridentinus 
sitze ihrer ehemaligen Autonomie; der Senat von Venedig gab nur 
darauf acht, daß sie sich nicht über die Grenzen der von ihnen be 
wohnten Viertel weiter ausdehnten. Viele Juden betätigten sich hier 
im Exportgeschäft und befaßten sich vor allem mit der Ausfuhr von 
Zucker nach Österreich. Wohl ließen sich oft Klagen darüber ver 
nehmen, daß die Juden den größten Teil der Handelsunternehmun 
gen an sich gerissen hätten, doch sah man ihnen um der von ihnen 
dem Reiche eingebrachten finanziellen Vorteile willen diesen Wett 
bewerb mit den einheimischen Griechen gern nach. Der venezianische 
Senat brachte nicht selten die zur Deckung der Staats- und nament 
lich der Kriegsausgaben bestimmten Zwangsanleihen bei den jüdi 
schen Gemeinden von Candia unter. Die zahlreiche jüdische Bevölke 
rung von Candia und Negroponte (Euböa) stand in lebhaftem Ver 
kehr mit der Gemeinde von Rom und zählte in dieser Zeit einige be 
deutende Schriftsteller (unten, § 61). 
Im italienischen Binnenlande brachte der Aufstieg Venedigs den 
Juden wenig Erfreuliches. Die der Handelsrepublik benachbarte Uni 
versitätsstadt Padua beherbergte um die Mitte des XIV. Jahrhunderts 
eine ansehnliche jüdische Gemeinde. Unter dem tatkräftigen Schutze 
der Herrscher aus dem Hause Carrara vermochte sich die Gemeinde 
rasch zu entfalten. Viele jüdische Familien aus Rom und anderen 
Städten siedelten nach Padua über und bald standen hier Handel, 
Industrie und Kreditgeschäft in hoher Blüte. Als aber dann die Stadt 
in die Gewalt der venezianischen Republik geriet (i4o5), wurde 
die Lage der Juden von Padua ebenso unsicher wie in Venedig selbst. 
Mit einem Schlage wurden die Juden aus bodenständigen Stadtbewoh 
nern zu Fremdlingen, die nur auf Grund einer besonderen „Con- 
dotta“ die Gastfreundschaft genießen durften. Bei jeder Wieder 
erneuerung des Vertrages wurden an die Juden von dem ihnen das 
Wohnrecht „hochherzig“ gewährenden Senat der Republik immer 
höhere Forderungen gestellt: man legte ihnen mit jedem Mal drücken 
der werdende Steuern auf, engte ihre Handelsfreiheit ein, beschränkte 
ihr Recht, Immobilien zu erwerben u. dgl. m. Trotz der getroffenen 
Vereinbarungen kam es häufig zu Konflikten, insbesondere aus An 
laß des von den Juden betriebenen Kreditgeschäftes: die Stadtbehör 
den machten es den Juden zum Vorwurf, daß sie die gesetzlich fest 
gelegte Höchstgrenze des Zinsfußes überschritten und sich für be 
rechtigt hielten, die bei ihnen verpfändeten Immobilien, deren Erwerb 
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