Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 58. Die römische Gemeinde 
Dichter Moses da Rieti, eine Rundreise durch verschiedene italienische 
Städte zu unternehmen, um auch die anderen Gemeinden zur Betei 
ligung an der Aufbringung der für die römischen Juden allein un 
tragbaren Steuer zu veranlassen. 
Der Nachfolger Eugens IV. war jener Papst Nikolaus V. (i447 bis 
i455), mit dessen Segen der Fanatiker Capistranus die Reise nach 
Deutschland antrat, um dort seine wütende judenfeindliche Agita 
tion zu entfalten (§ 47)- Der sich durch seinen eisernen Willen aus 
zeichnende Franziskaner übte auf Nikolaus V., einen weltfremden 
Theologen und gutmütigen Menschen, einen starken Einfluß aus, 
und so zeigte der Papst in seinem Verhalten gegen die Juden eine 
überaus schwankende Haltung. Während er sich in manchen seiner 
Bullen von ausgesprochen liberalen Grundsätzen leiten ließ, drang 
er in anderen auf strenge Befolgung der alten Kanons und gestattete 
den Angehörigen der verschiedenen Mönchsorden, die Juden durch 
ihr „Predigen“ zu terrorisieren. Der Papst war freilich standhaft 
genug, um einen der wahnwitzigsten Vorschläge des Capistranus, der 
darauf hinauslief, ein Riesenschiff erbauen zu lassen und alle rö 
mischen Juden auf diesem nach einem überseeischen Lande zu be 
fördern, rundweg abzulehnen. Spuren der sich kreuzenden Einflüsse, 
der mannigfachen Bittgesuche und der Bestechlichkeit der römischen 
Kurie treten uns übrigens in der gesamten Wirksamkeit der Päpste 
jener Zeit entgegen. Durch seine zur Sanktionierung der Beschlüsse 
der Kirchenkonzile erlassenen gestrengen Bullen entledigte sich 
der „heilige“ Vater zumeist nur einer formellen Pflicht, und so 
nahm er keinen Anstand, den jüdischen Gemeinden, namentlich 
denen Italiens, auf ihre Bittgesuche hin allerhand Freibriefe zu 
verleihen. Besonders bezeichnend ist eine solche Doppelpolitik für 
den Papst Sixtus IV. Einerseits erteilt er Ferdinand und Isabella die 
Sanktion zur Einführung der Inquisition gegen die spanischen Mar- 
ranen, andererseits leiht er den von den Marranen gegen diese „hei 
lige Institution“ geführten Klagen bereitwilligst sein Ohr und legt 
gegen die grausame Inquisitionswillkür nachdrückliche Verwahrung 
ein (oben, § 55). Die vor der spanischen Schreckensherrschaft nach 
Rom geflohenen Marranen fanden hier zwar die ersehnte Zuflucht, 
doch bildeten sie für die jüdische Gemeinde, für die die Nachbar 
schaft der „.illegalen“ Brüder zum Verhängnis werden konnte, einen 
ständigen Anlaß zu schwerster Beunruhigung. Der auf Sixtus IV. 
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