Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Italien zur Zeit der Frührenaissance 
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dio Rolle über die linke Achsel hinweg zurück. Anders benahm sich 
sein Nachfolger Gregor XII. (i4o6—i4i6): als die jüdischen Ab 
geordneten ihm mit einer reich geschmückten Thorarolle in den Hän 
den ihre Huldigung darbrachten, fand der Papst so viel Gefallen an 
dem Goldschmuck der Rolle, daß er sie sich als Geschenk ausbat. Die 
goldene Hülle der Bibel scheint eben für das Oberhaupt der Kirche 
ihren Wert bei weitem nicht in dem Maße eingebüßt zu haben, wie 
der Inhalt des „veralteten“ Buches. Übrigens stellten solche Gaben 
nur einen Teil jenes Tributes dar, den die jüdische Gemeinde jedem 
neuen Papste für die Bestätigung ihrer „Privilegien“ darzubringen 
pflegte. 
Unter Gregor XII. nahm das kirchliche Schisma ungeheuerliche 
Dimensionen an: drei Päpste machten gleichzeitig ihre Ansprüche auf 
die höchste Kirchengewalt geltend, darunter der in der Geschichte der 
spanischen Juden eine so traurige Rolle spielende Benedikt XIII. Das 
Schisma fand schließlich dadurch ein Ende, daß das Konstanzer Kon 
zil alle drei Tiaraprätendenten für abgesetzt erklärte und die Schlüs 
selgewalt Martin Y. übertrug (1417). Es zeigte sich alsbald, daß die 
Zügel der Regierung nunmehr einem Manne anvertraut waren, der 
in der Tat dazu berufen war, die Einheit der Kirche wiederherzu 
stellen. Um die gleiche Zeit machte sich unter den italienischen Ju 
den das Bestreben bemerkbar, unter der Führung der römischen Ge 
meinde alle Gemeinden Mittel- und Oberitaliens zu einer Einheit zu 
sammenzuschließen. Im Jahre i4i6 trat in Bologna eine Rabbiner- 
und Gemeindeältestenkonferenz zusammen, die aus Rom, Padua, Fer 
rara, Bologna und aus anderen Städten der Provinz Romagna sowie 
aus der Provinz Toskana beschickt war. Die Konferenz faßte den 
formellen Beschluß, daß bei der Verteidigung der jüdischen Rechte 
vor der päpstlichen Kurie die römische Gemeinde die Führung in 
nehaben, daß jedoch die Aufbringung der dazu nötigen Mittel nicht 
dieser allein, sondern allen italienischen Gemeinden zur Last fallen 
sollte. Zwei Jahre später (Mai i4i8) traten die Gemeindevertreter 
in der Stadt Forli (Romagna) erneut zu einer Beratung zusammen. 
Ein Teil der hierbei gefaßten Beschlüsse bezog sich auf die Regelung 
der inneren Gemeindeangelegenheiten, auf die Gemeindewahlen und 
die Sittenzensur (so wurden außereheliche Beziehungen, Glücksspiele 
und prunkvolles Auftreten unter Verbot gestellt), das Hauptinteresse 
der Versammlung galt jedoch der Wahl einer die Gesamtheit der
	        
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