Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 57. Die Vertreibung aus Portugal (1U98) 
Heimatlosen war es nicht leicht, ein Asyl zu finden. Monatelang irrten 
sie auf dem Meere zwischen den Häfen Spaniens, Portugals, Afrikas, 
Italiens und der Türkei umher. Nicht wenige von ihnen gingen unter 
wegs an Hunger, Krankheiten und Entbehrungen zugrunde; einige 
Schiffe wurden von Piraten gekapert, die die Pieisenden als ihre Ge 
fangenen in die Sklaverei verkauften. Auch wenn es den Emigranten 
einmal zu landen gelang, waren sie unter dem neuen Himmelsstrich 
nicht immer für die Dauer geborgen: gar oft wurden sie durch neue 
Bedrängnis wieder aufgescheucht und mußten sich erneut auf die 
Suche nach einem Asyl begeben. In dieser Weise erging es ihnen in 
einigen Hafenstädten Italiens sowie in Tunis und Algier. Eine sichere 
Zufluchtsstätte fanden hingegen die Exulanten in der Türkei, die kurz 
vorher auf den Trümmern von Byzanz ihre Macht begründet hatte. 
In demselben Jahre 1498 mußten die spanischen Exulanten auch 
ihr zeitweiliges Asyl in Navarra verlassen. Nach diesem kleinen König 
reich hatten sich nämlich im Jahre 1492 die Ausgewiesenen aus dem 
benachbarten Aragonien, vornehmlich aus Saragossa gewandt. Der 
König von Navarra gewährte den Auswanderern bereitwillig seine Pro 
tektion, und nur die Magistrate von Tudela und Tafallo ließen die Ju 
den in die von ihnen verwalteten Städte nicht ein. Als der spanische 
König Ferdinand aber bald darauf Navarra seinem Reiche angliederte, 
verlangte er, daß die wenigen in diese Provinz eingedrungenen Ver 
bannten unverzüglich des Landes verwiesen werden sollten. Der König 
von Navarra mußte sich fügen, und die Juden sahen sich wieder 
einmal vor die Wahl zwischen Auswanderung und Taufe gestellt. 
In ihrer Verzweiflung willigten viele in die Taufe ein und legten so 
den Grundstein zu der Marranenkolonie von Navarra (Tudela hatte 
noch im XVI. Jahrhundert viele Neuchristen aufzuweisen). Der Rest 
ergriff von neuem den Wanderstab und zog der Ungewißheit ent 
gegen.
	        
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