Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
fügungsgewalt des Königs verfallen seien, der mit ihnen nunmehr 
nach Belieben verfahren dürfe. Die, Auswanderer wurden sodann in 
einem großen Palast untergebracht, wo sie alltäglich von Missiona 
ren auf gesucht wurden, die sie zur Taufe zu überreden suchten; die 
Widerspenstigen glaubte man durch Nahrungsentziehung zähmen zu 
können. Als alle diese Gewaltmittel ohne Erfolg blieben, erging der 
Befehl, die Ungehorsamen zur Kirche zu schleifen, was von den Sol 
daten auch in rohester Weise zur Ausführung gebracht wurde. Viele 
von den Unglücklichen, die man an Stricken oder an den Haaren 
durch die Straßen zerrte, rissen sich aus den Händen ihrer Peiniger 
los, um sich in die Brunnen oder von den Dächern der Häuser zu 
stürzen; andere schmähten in ostentativer Weise Christus und die 
kirchlichen Sakramente, um so die Rohlinge in Wut zu versetzen und 
von ihnen auf der Stelle den Todesstoß zu empfangen. Den Soldaten 
war indessen eingeschärft worden, den Gotteslästerungen der Juden 
keine Beachtung zu schenken, „und so überzeugten sich die Dulder 
— wie der jüdische Chronist berichtet — daß ihnen sogar der Weg 
zum Tode versperrt sei“. Unter solchen Umständen nahmen sehr viele 
zum Scheine die Taufe an; darunter waren auch Männer, denen es 
später gelang, in fremde Länder zu entkommen und sich sogar als 
Rabbiner einen Namen zu machen. Das Dekret vom 3o. Mai, das die 
Neubekehrten vor der Überwachung durch die Inquisition sicher 
stellte, machte es nun auch der neuen „Anussim“-Gruppe möglich, 
sich bis zum Anbruch einer besseren Zeit in der einen oder anderen 
Weise über Wasser zu halten. 
Mittlerweile begann die Hochflut der katholischen Raserei in Por 
tugal allmählich zu verebben. Nachdem sich der König Manuel von 
der Unmöglichkeit, alle Emigranten der Taufe zuzuführen, endgültig 
überzeugt hatte, ließ er sie ziehen. Die Auswanderung zog sich über 
das ganze nächste Jahr hin (1498). So gelangte die in Spanien ge 
löste „Judenfrage“ nunmehr auch in Portugal zur Lösung; zugleich 
wurde hier aber durch die gewaltsame Taufe vieler Tausende von Ju 
den eine neue „Marranenfrage“ akut, mit deren Lösung sich die In 
quisitoren im Dunkel der Verließe und beim grellen Scheine der Auto 
dafes noch zwei volle Jahrhunderte unausgesetzt beschäftigen soll 
ten .. . 
Die Not der Verbannten nahm jedoch auch jenseits der portugie 
sischen Grenzen noch lange kein Ende. Den vielen Tausenden von 
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